Freistädtische Zeit (1813-1866)

Die Handelskammer Frankfurt am Main in freistädtischer Zeit (1813 – 1866)

Im September 1813 trat Fürstprimas Carl von Dalberg als Großherzog zurück und die Stadt Frankfurt a. M. erhielt wieder ihre Selbständigkeit. Die Handelskammer bestand zunächst noch unter dem Namen "Handelskammer der freien Stadt Frankfurt" eine Zeit lang unverändert fort, bevor der Rat der Stadt Frankfurt a. M. in seiner Sitzung vom 20. Juni 1815 die Umbenennung in "Handlungsvorstand" beschloss. Es folgte eine zwei Jahre andauernde Auseinandersetzung zwischen der Kaufmannschaft, dem Rechneiamt und dem Rat der Stadt Frankfurt a. M. um die Rechtsstellung dieser Vertretung des Handels, die mit der Rückkehr zur alten Bezeichnung "Handelskammer der freien Stadt Frankfurt" und der "Verordnung [des Großen Rats] über die Organisation der Handels-Kammer der freien Stadt Frankfurt" vom 20. Mai 1817 endete, die für mehr als 50 Jahre die Grundlage für die Arbeit der Handelskammer bildete.
Im Einzelnen bestimmte diese Verordnung:

§ 1 Die Handelskammer vertritt das Interesse des hiesigen Handelsstandes, und ist dessen Organ. Ihr Beruf im allgemeinen ist, unter obrigkeitlicher Autorität für die Erhaltung und das Emporkommen des hiesigen Handels Sorge zu tragen, und dasjenige abzuwenden, was dem Einen oder dem Andern hinderlich seyn kann.

§ 2 Die Handelskammer besteht aus zwanzig Mitgliedern, worunter einige Detailleurs seyn müssen. (...)

§ 3 Da es zum Besten des Handels gereichen muss, wenn diejenige obrigkeitliche Behörde, welcher verfassungsmäßig die Behandlung aller das Commerz betreffenden Gegenstände aufgetragen ist, mit der Handelskammer als Vorstand des Handelsstandes in Verbindung gesetzt wird, so wird eine eigene Handlungs-Deputation aus zwei Mitgliedern löblichen Rechneiamts und zwei Mitgliedern der Handelskammer, welche letztere selbst zu wählen hat, angeordnet. Diese Deputation versammelt sich wöchentlich Ein- auch nach Erforderniß mehrere Male, um gemeinschaftlich über Gegenstände des Commerzes zu berathschlagen, nicht weniger um sich wegen der polizeilichen Handhabung der über die Handlung schon bestehenden Verordnungen zu berathen.

§ 4 Die Handelskammer hat die Befugniß und die Obliegenheit, gutächtliche Vorschläge über die Erhaltung und das Emporkommen der hiesigen Handlung zu machen, auch die ihr hierüber von der competenten Behörde, dem Senat oder dem Rechneiamte abgefordert werdenden Gutachten zu erstatten. Sie kann sich zu dem Ende auch mit anderen Handelskammern oder Vorständen über Verbesserungen in Handelssachen in Correspondenz setzen, um über den Gang der Handlung und das, was zu der Beförderung derselben anderwärts geschieht, in Kenntniß gesetzt zu werden.

§ 5 Ehe neue Gesetze und Verordnungen wegen des Wechsel-, Waaren-, Commissions- und Speditions-Handels, wo wie auch wegen des Münzwesens, wegen der Schiffahrt und des Frachtwesens, wegen der Handlung überhaupt (...) erlassen werden, sowie auch ehe die schon über Handlungssachen oder was darauf Beziehung hat, bestehenden Gesetze und Verordnungen abgeändert werden - soll die Handelskammer jedesmal mit ihrem Gutachten vernommen werden.

§ 6 Bei der Wahl der Makler und Güterschaffner wird die Handelskammer vorher mit ihrem Gutachten vernommen.

§ 7 Die Handelskammer hat die Befugniß, kaufmännische Gutachten oder Pareres über Handlungsgegenstände zu fertigen, es liegt derselben ob, dergleichen auf Erfordern der Gerichte zu erstatten.

§ 8 Die Beschlüsse und Gutachten der Handelskammer werden nach der Stimmenmehrheit gefaßt, die Ausfertigung wird von dem Senior (...) unterzeichnet. In Fällen, wenn Mitglieder der Handelskammer mit einem nach der Mehrheit gefaßten Beschlusse nicht einverstanden sind, können diese verlangen, daß ihre abweichende Ansicht zu Protocoll bemerkt und eingereicht werde.

§ 9 Die Handelskammer hat die Aufsicht über das Börse-Local. Sie läßt solches öffnen und schließen, und sorgt dafür, daß sowohl die von den öffentlichen Behörden beabsichtigte als andere Bekanntmachungen durch den Börsenanschlag zur Kenntniß des Handelsstandes gebracht, und ohne ihr Vorwissen nichts öffentlich daselbst angeschlagen werde, und bleibe.

§ 10 Derjenige, welcher zum Mitglied der Handelskammer gewählt werden soll, muß dreißig Jahre alt, einer der christlichen Confessionen zugethan, von unbescholtenem Rufe und hier verbürgert seyn, sich auch bei eigener Geschäftsführung auf hiesigem Platze während eines Zeitraums von wenigstens sechs Jahren die erforderlichen Handlungskenntnisse erworben haben. Niemand kann zum Mitglied der Handelskammer gewählt werden, der kundbar so unzahlfähig gewesen ist, daß seine Gläubiger bey einem Concurse oder Nachlaßvertrage nur einen Theil ihrer Forderungen haben erhalten können.

§ 11 Von den zwanzig Mitgliedern, aus welchen die Handlungskammer (nach § 2) besteht, treten jedes Jahr zwei Mitglieder nach dem Dienstalter aus. Bei gleichem Dienstalter entscheidet das Loos.

§ 12 Die Wiederbesetzung der durch Absterben oder durch den vorgeschriebenen Austritt erledigten Stellen der Handlungskammer geschiehet mittelst Wahl per scrutinium von Seiten sämmtlicher Mitglieder der Handelskammer, den Austretenden mit eingeschlossen, unter Zuziehung von zehen, gleichfalls von Seiten der Handelskammer per scrutinium zu wählenden Mitgliedern aus den verschiedenen Handelszweigen. Ohne sehr erhebliche Gründe kann niemand die auf ihn gefallene Wahl ablehnen. Auch das abgehende Mitglied kann wieder gewählt werden, dasselbe kann sich jedoch diese Wahl verbitten, auch darf hierdurch die festgesetzte Ordnung des Austritts nicht gestört werden.

§ 13 Die Wahl muß jedesmal längstens in Monatsfrist vorgenommen und wenn solche vollzogen ist, dem Senat die Anzeige von derselben gemacht werden.

§ 14 Die Mitglieder der Handelskammer wählen unter sich nach der Mehrheit der Stimmen per scrutinium einen Senior als Vorsitzenden und einen Subsenior, welcher letztere die Stelle des ersteren in Verhinderungsfällen vertritt. [...]

Die konfessionelle Beschränkung der Kammermitgliedschaft auf die drei christlichen Konfessionen entfiel erst am 12. September 1853 mit dem "Organischen Gesetz [der Freien Stadt Frankfurt], die Erweiterung der staatsbürgerlichen Rechte der Landbewohner und Israeliten betreffend".