Kritischer Verwendungszweck

Während Güter, die von den Güterlisten erfasst sind, also gelistete Güter, aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit und unabhängig vom tatsächlichen Verwendungszweck immer einem Genehmigungsvorbehalt unterliegen, steht bei nicht gelisteten Gütern der Verwendungszweck im Vordergrund der Betrachtung. Dabei können wieder sowohl nationale als auch EU-Vorschriften greifen. Dieser Tatbestand wird häufig als „Catch-All-Klausel“ oder als Auffangklausel bezeichnet. 

Genehmigungsvorbehalte nach EU-Recht

Das EU-Recht (Dual-use-VO) sieht grundsätzlich dann einen Genehmigungsvorbehalt vor, wenn die Güter 
  • im Zusammenhang mit der Herstellung oder Nutzung von Massenvernichtungswaffen und/oder Trägertechnologien (z. B. Raketen) verwendet werden, 
  • unabhängig vom Empfangsland, 
  • der Ausführer vom BAFA unterrichtet oder selbst positive Kenntnis von der Endverwendung hat. 
  • Darüber hinaus sieht das EU-Recht auch dann einen Genehmigungsvorbehalt vor, wenn die Güter 
  • im Zusammenhang mit der Herstellung oder Nutzung von militärischen Waren (Rüstungsgüter) verwendet werden, 
  • Bestimmungs- oder Käuferland ein Waffenembargoland ist, 
  • der Ausführer vom BAFA unterrichtet wird oder selbst positive Kenntnis von der Endverwendung hat. 
Der Begriff Kenntnis ist in diesem Zusammenhang weit auszulegen. Zum einen liegt eine „Kenntnis des Ausführers“ vor, wenn z. B. auch nur ein Mitarbeiter des Unternehmens eine entsprechende Notiz gefertigt hat. Zugleich sollte der Ausführer auf sogenannte "Red Flags" achten: Passen die geforderten Spezifikationen zum angegebenen Verwendungszweck? Passt das bestellte Gut zum angegebenen Unternehmenszweck? Sind die Bestellangaben insgesamt schlüssig? 

Beispiel für einen kritischen Verwendungszweck

Der Käufer in Aserbaidschan bestellt einen Stromgenerator. Wird dieser zur Versorgung eines Krankenhauses eingesetzt, ist der Verwendungszweck unkritisch. Soll er als Notstromaggregat für eine Militärkaserne dienen, ist seine Ausfuhr genehmigungspflichtig.  

Genehmigungsvorbehalte nach der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)

Auch das deutsche Außenwirtschaftsrecht sieht nach § 9 AWV einen verwendungsbezogenen Genehmigungsvorbehalt für nicht gelistete Güter vor, wenn 
  • die Güter für einen kerntechnischen Verwendungszweck bestimmt sind oder bestimmt sein können, 
  • das Bestimmungs- oder Käuferland in § 9 genannt ist, 
  • der Ausführer vom BAFA unterrichtet oder selbst positive Kenntnis von der Endverwendung hat. 
Aktuell sind nach § 9 AWV folgende Länder als Bestimmungs- bzw. Käuferländer zu berücksichtigen: 
  • Algerien 
  • Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea) 
  • Irak 
  • Iran 
  • Israel 
  • Jordanien 
  • Libyen 
  • Pakistan 
  • Syrien 

Beispiel für eine Genehmigungspflicht nach AWV

Der Käufer in Jordanien bestellt einen Stromgenerator. Dieser soll laut Bestellung zur Versorgung eines Krankenhauses eingesetzt werden. Bei der Besichtigung des Aufbauorts stellt der Außendienstmitarbeiter des Ausführers fest, dass an der angegebenen Adresse ein Kernkraftwerk steht. 

Positive Kenntnis des Ausführers

Der Ausführer muss positive Kenntnis über einen kritischen Endverwendungszweck haben, um eine Genehmigungspflicht zu begründen. Verschiedene Anhaltspunkte können dabei für den Endverwendungszweck sprechen. 
So kann das Produktionsprofil des Empfängers ebenso wie die Materialbeschaffenheit der Ware Anhaltspunkte für den Verwendungszweck liefern. Ebenso können Erklärungen des Kunden, vertragliche Abreden oder der Bestellung zugrunde liegende Planungsvorhaben Indizien für einen sensitiven Verwendungszweck bieten. 
Nicht zuletzt bieten Unterrichtungen (Hinweisschreiben) durch die Behörden selbst wichtige Erkenntnisse für den Verwendungszweck.

Rechtsgrundlagen

Mögliche Genehmigungspflichten für nicht gelistete Güter ergeben sich aus Artikel 4 der Dual-Use-Verordnung sowie § 9 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV).