Vorgeschichte und Gründung der Handelskammer Frankfurt (1808-1813)

Die Organisation und Selbstverwaltung der Frankfurter Kaufmannschaft hat ihren Ursprung in den Versammlungen einheimischer und fremder Kaufleute, die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts während der Messen zusammenkamen, um die getätigten Geschäfte zu skondieren und bald auch schon die Kurse der verschiedenen Münzsorten festzusetzen.

Aus diesen Treffen entwickelten sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts regelmäßige Börsenversammlungen, an denen die Frankfurter Großkaufleute teilnahmen, die sich mit Bank- und vor allem Wechselgeschäften beschäftigten. Ergab sich die Notwendigkeit, mit dem Rat oder den städtischen Behörden in Kontakt zu treten, so wählten sie von Fall zu Fall Deputierte oder einen Ausschuss, der spätestens zu Beginn des 18. Jahrhunderts zugleich als Börsenverwaltungsorgan fungierte. Im Dezember 1706 richteten 61 lutherische und reformierte Kaufleute aus diesem Kreis eine Eingabe an den Rat, in der sie sich über die "unbillige" Konkurrenz von Beisassen beklagten, die vor allem das Speditions- und Kommissionsgeschäft an sich zogen. Für die Verhandlungen mit dem Rat wählten sie am 29. Dezember 1706 einen Ausschuss von acht Personen, der sich zu Beginn des folgenden Jahres konstituierte.

1713 tritt uns dieses Gremium in den Akten erstmals als "Deputierte der Kaufmannschaft" entgegen. Daneben finden sich auch die Bezeichnungen "Vorsteher der Kaufmannschaft", "Deputierte und Vorsteher der Kaufmannschaft" und "Handlungsdeputierte" sowie "Deputierte der Beurs und Kaufmannschaft", "Handlungs- und Börsenvorsteher" oder "Börsenvorsteher und Deputierte des Handelsstandes", die die doppelte Eigenschaft des Gremiums als offizielle Vertretung der Frankfurter Kaufmannschaft und Börsenverwaltungsorgan zum Ausdruck bringen. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts setzte sich die Bezeichnung "Börsenvorsteher" durch.

Wichtigste Aufgabe der Börsenvorsteher war die Erstattung von Gutachten über Handelsbräuche, zu denen später immer häufiger auch gutachterliche Stellungnahmen zu Münz-, Zoll- und Verkehrsfragen kamen. Eine gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit dieses Gremiums hat es nie gegeben. Vielmehr bildeten sich im Laufe der Jahre einige gewohnheitsrechtliche Arbeitsgrundlagen heraus. Die Zahl der Mitglieder blieb auf acht Personen begrenzt. Sie waren auf Lebenszeit gewählt und gehörten je zur Hälfte der lutherischen und der reformierten Konfession an. Verstarb ein Mitglied, so bestimmten die verbliebenen Deputierten einen Nachfolger. Als Versammlungslokal diente das Haus Braunfels, in dem sich auch das Börsenlokal befand.

Gründung der Handelskammer Frankfurt im Jahr 1808

1806 verlor die Reichsstadt Frankfurt a. M. ihre Selbständigkeit und ging in dem neu geschaffenen Fürsten- bzw. Großherzogtum Frankfurt auf, das Napoleon dem früheren Kurfürsten von Mainz, Fürstprimas Carl von Dalberg, übertrug. Auf Anregung und Drängen der Börsenvorsteher dekretierte Carl von Dalberg am 27. April 1808 die Errichtung einer Handelskammer für die Stadt Frankfurt am Main. Den fürstlichen Generalkommissar Graf von Beust (ab 1810 großherzoglicher Finanzminister) bestimmte er zum Präsidenten, allerdings ohne Stimmrecht bei den Beratungen. Bei dessen Abwesenheit sollte der fürstliche "Conkommissarius" Freiherr von Eberstein das Präsidium übernehmen. Außerdem bestimmte Carl von Dalberg den bisherigen Börsenvorsteher Johann Gerhard Hofmann zum Spiegel und Kommerzienrat Joseph Cleynmann zu Mitgliedern der Handelskammer. Die übrigen Mitglieder, neun an der Zahl, wurden am 7. Mai 1808 von einem 40 Personen umfassenden Wahlmännergremium gewählt, das auf Vorschlag der Börsenvorsteher von der Regierung berufen worden war. Die Bestätigung der Wahl durch Fürstprimas von Dalberg erfolgte am 18. Mai 1808.
Die Handelskammer Frankfurt war, wie ihr französisches Vorbild, die "chambre de commerce", eine rein beratende Korporation. Ihre Aufgaben beschreibt das Gründungsdekret wie folgt:
  • Auf alles aufmerksam zu seyn, was zu dem Flor der hiesigen Handlung beitragen kann,
  • In Entwerfung der Vorschlägen, aller Verbesserungen, Anstalten, Abänderungen, welche zum Besten der hiesigen Handlung ratsam sind,
  • In Erstattung der Gutachten in Handlungsgegenständen, die von dem souveränen Fürsten von der Handelskammer wohlmeinend gefordert werden.

Am 23. Mai 1808 fand unter Vorsitz des Freiherrn von Eberstein die konstituierende Sitzung der Handelskammer Frankfurt am Main statt. Sie fasste den Beschluss, dass das jeweils dienstälteste Mitglied (Senior) den Vorsitz übernehmen und die Geschäfte führen sollte. Es wurden drei Sektionen gebildet, und zwar für Handelsrecht, Schifffahrt und Zölle sowie Börsenwesen. Das Gremium der Börsenvorsteher galt mit sofortiger Wirkung als aufgelöst, sein Vermögen ging auf die Handelskammer über. Als Einnahmequelle standen der Handelskammer darüber hinaus lediglich freiwillige Beiträge und eine geringe Abgabe auf die direkte Schifffahrt von Köln nach Frankfurt a. M. zu. Sie reichten weder aus, um einen Sekretär zu beschäftigen noch um ein Geschäftslokal anzumieten. In der Regel fanden die Sitzungen deshalb im Haus des jeweiligen Seniors statt.
Die Frankfurter Handelskammer, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet der Stadt beschränkte, führte die offizielle Bezeichnung "Fürstlich Primatische Handelskammer" (ab 1810: Großherzogliche Handelskammer). Ein Handelskammergesetz oder eine Handelskammerverordnung existierte nicht. Vielmehr existierte eine Fülle von oft nicht ganz im Einklang miteinander stehenden Verfügungen und mündlichen Anweisungen des Fürsten, die immer wieder Anlass zu Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen mit der fürstlichen Generalkommission und dem Rechneiamt der Stadt Frankfurt a. M. gaben.