Wiederaufbau und Wirtschaftswunder (1945-1975)

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes lösten die Besatzungsmächte die nationalsozialistischen Wirtschaftsorganisation auf. Bereits Ende April 1945 nahm die neu gegründete "Industrie-, Handels- und Handwerkskammer Frankfurt am Main" auf unsicherer Rechtsgrundlage, die zunächst lediglich aus der Einwilligung der amerikanischen Militärregierung bestand, ihre Arbeit wieder auf.
Die Vereinigung der Industrie- und Handelskammer mit der Handwerkskammer, die in ihrer Bezeichnung zum Ausdruck kommt und ein Relikt aus den Zeiten der Gauwirtschaftskammer darstellte, wurde durch Ministerialbeschluss vom 1. April 1946 aufgehoben. Da nicht nur die Gauwirtschaftskammer Rhein-Main, sondern auch die seit 1919 stattgefundenen bzw. verordneten Zusammenschlüsse der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main mit den anderen nassauischen Industrie- und Handelskammern aufgehoben worden waren, mussten die Kammerbezirke neu definiert werden. Die 1945 festgelegten Grenzen besitzen noch heute (abgesehen von Bergen-Enkheim, das nach der Eingemeindung nach Frankfurt a. M. 1977 vom Kammerbezirk Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern hinzukam) Gültigkeit. Danach besteht der Kammerbezirk Frankfurt am Main aus der Stadt Frankfurt a. M., dem Obertaunuskreis, dem Kreis Usingen und dem Main-Taunus-Kreis (mit Ausnahme der Stadt Hochheim a. M.).

Die Rechtsgrundlagen für die Arbeit der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main war mit der faktischen Auflösung der Gauwirtschaftskammer Rhein-Main entfallen. Ihre Tätigkeit basierte somit anfangs allein auf den Anordnungen alliierter und regionaler deutscher Dienststellen, die verständlicherweise die rechtlichen Formen vernachlässigten und allein am praktischen Erfolg ihres Vorgehens interessiert waren. So waren der Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main Dr. Alfred Petersen und seine fünf Stellvertreter nicht etwa gewählt, sondern von der amerikanischen Militärregierung eingesetzt worden. Erst mit Beginn des Jahres 1946 bahnte sich eine gewisse Vereinheitlichung des Kammerrechts in der amerikanischen Zone an. Am 10. Januar 1946 verkündete das großherzogliche Staatsministerium die offizielle Auflösung der Gauwirtschaftskammern. Die Industrie- und Handelskammern erhielten die Funktionen zurück, die sie vor Erlass der Gauwirtschaftskammerverordnung vom 20. April 1942 ausgeübt hatten. Bis zur gesetzlichen Neuregelung des Handelskammerwesens unterstanden sie der Dienstaufsicht des hessischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr.

Sehr bald kristallisierte sich heraus, dass die deutschen und amerikanischen Vorstellungen von den Aufgaben und der Rechtsstellung einer Industrie- und Handelskammer weit auseinanderklafften. Im Mai 1946 untersagte das großhessische Staatsministerium auf Anweisung der amerikanischen Militärregierung den hessischen Kammern bis auf weiteres die Ausübung jedweder öffentlicher Funktion. Einen Monat später ergingen dazu detaillierte Ausführungsrichtlinien, die die Industrie- und Handelskammern zu freien Vereinigungen von Gewerbetreibenden mit freiwilliger Mitgliedschaft erklärten. Die Kammern verloren ihren halbamtlichen Charakter und sahen sich hinsichtlich ihres Aufgabengebietes ganz auf beratende Tätigkeiten beschränkt. Am 25. November schließlich erhielten die Kammern die Mitteilung, dass die Pflichtmitgliedschaft endgültig zum 31. Dezember ende und die Mitgliedsunternehmen umgehend darüber zu informieren seien.

All diese verstreuten Bestimmungen fanden Eingang in den Runderlass des hessischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 5. Dezember 1946, der die Umorganisation der Industrie- und Handelskammern abschloss und ihnen eine neue gesetzliche Grundlage gab. Die zwölf hessischen Industrie- und Handelskammern, die sich inzwischen gebildet hatten, wurden zwar anerkannt, verloren aber ihren Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften, verbunden mit einer Pflichtmitgliedschaft für alle Gewerbetreibenden des Bezirks. Die Mitglieder waren aufgefordert, in freier, geheimer und gleicher Wahl einen Beirat (Vollversammlung) zu wählen, der aus seiner Mitte den Präsidenten und seine Stellvertreter bestimmte. Am 31. Dezember 1946 verabschiedete die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main ihre neue Satzung und am 29./30. April 1947 fanden die ersten freien Beiratswahlen seit 1932 statt.

Die Industrie- und Handelskammern in der Bundesrepublik Deutschland

Am 16. November 1956 verabschiedete der Deutsche Bundestag gegen die Stimmen der SPD-Opposition und gegen den Widerstand des Landes Hessen im Bundesrat das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern, das am 18. Dezember des gleichen Jahres in Kraft trat. Damit erhielten die zwölf hessischen Industrie- und Handelskammern ihren Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften zurück, nachdem dies in anderen Bundesländern aufgrund der jeweiligen Landesgesetzgebung längst geschehen war. Aufgaben, Zuständigkeit und innere Organisation waren mit den bis 1933 gültigen Bestimmungen weitgehend identisch.
In § 1 heißt es dazu:

(1) Die Industrie- und Handelskammern haben [...] die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken [...]; dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.

(2) Die Industrie- und Handelskammern können Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen sowie Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsausbildung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften treffen.

(3) Den Industrie- und Handelskammern obliegt die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen, soweit nicht Rechtsvorschriften diese Aufgaben anderen Stellen zuweisen.

Allerdings gab es auch einige gravierende Änderungen gegenüber dem Status von 1932. So bestimmte das Gesetz ausdrücklich, dass die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen nicht zu den Aufgaben der Industrie- und Handelskammern gehörten. Dadurch wollte der Gesetzgeber eventuellen juristischen Einwänden seitens der Gewerkschaften die Spitze nehmen. Den gleichen Zweck verfolgte die Vorschrift zur Bildung paritätisch mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern besetzten Ausschüssen für Fragen der Berufsbildung bei den Industrie- und Handelskammern, die der gewerkschaftlichen Forderung nach überbetrieblicher Mitbestimmung in diesem wichtigen Bereich Rechnung trug. Die Aufsicht der Bundesländer über die Industrie- und Handelskammern erfuhr insofern eine Lockerung, als sie sich lediglich auf die Einhaltung der bestehenden Rechtsvorschriften bezog. Schließlich schrieb das Gesetz die Pflichtmitgliedschaft auch für Kleingewerbetreibende vor. Dies ermöglichte den Kammern, ihre oft einseitige Fixierung auf Großhandel und Industrie, die ihnen in der Vergangenheit anhaftete, abzustreifen und erleichterte es ihnen, das viel zitierte wirtschaftliche Gesamtinteresse ihres Bezirks wahrzunehmen.