Fokusthema Tourismus
Zoo Frankfurt
„Zoologisches Schatzkästlein“
„Zoologisches Schatzkästlein“
Ein Gespräch mit Dr. Christina Geiger, Direktorin des Frankfurter Zoos, über die Studie „Zookunft2030+“, Zootiere als Botschafter ihrer wildlebenden Artgenossen und die enge Verbundenheit der Stadtgesellschaft mit der Einrichtung.
Frau Dr. Geiger, Sie waren 15 Jahre als Tierärztin im Frankfurter Zoo tätig, bevor Sie im Februar die Nachfolge von Direktor Miguel Casares angetreten sind. Fehlt Ihnen der intensive Kontakt zu den Tieren?
Auf jeden Fall. Anfangs war mir vor Aufregung kaum bewusst, dass ich mit der neuen Aufgabe ein ganz schönes Paket in meinem Leben zur Seite lege. Aber das Gute daran ist, dass ich jederzeit bei den Tieren vorbeischauen kann. Vorhin war ich in der Mittagspause draußen und habe junge Zwergziegen beobachtet, wie sie auf einem Baumstamm rumturnen und Purzelbäume schlagen. Die Tierpfleger schicken mir auch schon mal Fotos von ihren Schützlingen, wenn sie gewogen oder gefüttert werden, um mich in der Nähe der Tiere zu halten.
Zoologische Gärten gehören auch in Hessen zu den beliebtesten Freizeiteinrichtungen und sind zugleich Tourismus-Hotspots. Was macht die Faszination von Zoos aus?
Wenn die Kinder in das Giraffen- oder Nashornhaus kommen, sind sie den Tieren ganz nah und können sie riechen und hören. Und wenn unser Löwe Kumar ruft, dann bebt die Erde. Kein digitales Format kann solch unmittelbare Tiererlebnisse ersetzen. Abgesehen davon, dass Fernreisen nur wenigen Privilegierten vorbehalten sind, kann man nicht jeden auf eine Reise nach Afrika schicken. Würden alle potenziellen Zoobesucher in Flieger steigen, um die Serengeti zu besuchen, dann wäre sie tatsächlich gestorben. Deshalb sind und bleiben Zoos als außerschulische Bildungsorte so wichtig, um Menschen die Wertschätzung für die Natur näherzubringen und exotische wie auch heimische Tierarten erlebbar zu machen.
Zahlreiche veraltete Tierhäuser und unattraktive Außengehege: Der Investitions- und Instandhaltungsrückstand ist beim Rundgang im Frankfurter Zoo unübersehbar. Wie passt das zum Claim „Tiere erleben, Natur bewahren“?
Den Claim mit Leben zu erfüllen, fällt angesichts des Gebäudebestands zunehmend schwerer. Denn in den zum Großteil 50, 60 Jahre alten Tierhäusern ist weder eine zeitgemäße Tierhaltung noch eine angemessene Präsentation des Tierbestands, geschweige denn die Vermittlung von Besuchererlebnissen mehr möglich. Mit der Studie Zookunft2030+, an der ich gemeinsam mit meinem Vorgänger und der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt mitgewirkt habe, haben wir ein weitreichendes Zukunftskonzept für einen modernen Zoo erarbeitet. Als wir die Studie gemacht haben, gab es noch kein Corona, keinen Ukrainekrieg, keine Energieengpässe, keine gestörten Lieferketten. Ich hoffe dennoch, dass die Umsetzung nicht allzu lange auf sich warten lässt. Ansonsten kommen wir wirklich an kritische Grenzen.
Was sind die Kernpunkte der Studie Zookunft2030+?
Das Konzept sieht vor, etwa die Hälfte des elf Hektar großen Zooareals umzugestalten. Mit dem Bau von Afrika- und Amazonas-Hallen sowie der Gestaltung einer Wildnis Europa wollen wir in enger Kooperation mit der ZGF statt einzelner Tierarten verstärkt Tiergemeinschaften präsentieren. An die Natur angelehnte Gestaltungen von Gehegen und Lebensräumen sollen vermitteln, dass jede Tierart eine zentrale Rolle im Kontext der Biodiversität spielt. Indem wir beispielsweise eine sehr große Tierart wie die Giraffe mit einer kleinen Antilopenart wie dem Dikdik gemeinsam zeigen, können wir die unterschiedliche Nutzung von Lebensräumen verdeutlichen. Anhand ikonischer Tierarten, die unsere Besucher faszinieren, möchten wir zum Nachdenken anregen: Welche Verbindungen gibt es zwischen mir, meinem Konsum- und Mobilitätsverhalten und dem Tier in seinem Lebensraumkontext?
Die traditionsreiche Einrichtung ist als Innenstadtzoo seit jeher beengt. Was bedeutet das für die Zukunftsplanung?
Trotz aller Abstriche beim Platz und bei den Tierarten sehe ich es als großen Vorteil, dass wir so zentral gelegen und damit in die Stadtgesellschaft eingebunden und dort präsent sind. Wenn man clever mit den vorhandenen Ressourcen umgeht und Potenziale ausschöpft, muss ein Innenstadtzoo nicht von Nachteil sein. Dann sind die in der Studie angedachten Erlebnislandschaften ein Zugewinn für Mensch und Tier. Bei schlechtem Wetter bekommen die Besucher manchmal nur wenige Tiere zu Gesicht, weil sich beispielsweise Okapis, Zebras oder Mhorrgazellen gerne in die Wärme ihrer Stallungen zurückziehen. In den neuen Themenhallen wären sie hingegen für die Besucher den ganzen Tag über sichtbar. Die Gemeinschaftshaltung bereichert zugleich den Lebensalltag der Zootiere durch viele interessante Interaktionen, die sie in Einzelhaltung nicht hätten.
Wird der Frankfurter Zoo künftig weniger Tierarten beherbergen?
Weniger vielleicht nicht. Aber schon immer mussten sich die Verantwortlichen auf eine Vielzahl von kleineren Tierarten konzentrieren, die geringe Platzansprüche haben. Stets war man darauf bedacht, Arten zu haben, die es in anderen Zoos nicht gibt. Beispiel hierfür ist das Grzimekhaus, ein zoologisches Schatzkästlein. Dort leben unter anderem Schnabeligel. Sie fallen den meisten Besuchern kaum auf. Aber wir wissen, dass sie eine absolute Rarität sind und wir das Spitzen-Know-how für diese Tierart haben.
Interview
Petra Menke
Chefredakteurin, IHK WirtschaftsForum
Petra Menke
Chefredakteurin, IHK WirtschaftsForum
