Ergebnis Innenstadtbefragung „Vitale Innenstadt 2022“: Wichtigkeit von „Shoppen“ als Motiv für Innenstadtbesuch wächst


07. März 2023
Im Herbst des vergangenen Jahres wurden an verschiedenen Donnerstagen und Samstagen rund 2.000 Innenstadtbesucherinnen und -besucher in Frankfurt am Main zu ihrem Einkaufsverhalten befragt. Außerdem wurden sie darum gebeten, die Attraktivität der Frankfurter Innenstadt zu bewerten. Die nun vorliegenden Studienergebnisse zeigen: Im Vergleich zu den Prä-Pandemie-Daten aus dem Jahr 2018 gibt es zwar nur wenig Neues, das aber ist für die Sicht auf die Frankfurter Innenstadt von großer Bedeutung.
Wer besucht die Frankfurter Innenstadt und warum? Welche Rolle spielen der Einzelhandel und andere Nutzungsarten als Besuchsanlass? Was gefällt den Innenstadtbesucherinnen und -besuchern besonders gut, was nicht und wo sehen sie Verbesserungspotenzial? Diese und weitere Fragen wurden rund 2.000 interviewten Passantinnen und Passanten im Rahmen der Innenstadtbefragung „Vitale Innenstadt 2022“ gestellt. Die groß angelegte Befragung wurde nach 2014 und 2018 nunmehr zum dritten Mal in Frankfurt am Main durchgeführt.
Überregionale Bedeutung der Frankfurter Innenstadt gestiegen. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass intensive Verflechtungen zwischen Frankfurt am Main und der Region bestehen: Gut 56 Prozent der befragten Besucherinnen und Besucher in der Frankfurter Innenstadt stammen aus Frankfurt am Main. Der Anteil der Befragten, die außerhalb von Frankfurt wohnen, liegt bei 44 Prozent. Er liegt damit etwas höher als in der Befragung vor vier Jahren (+8 Prozentpunkte gegenüber. 2018) und deutlich höher als im aktuellen Ortsgrößendurchschnitt von 34 Prozent. Hinter diesem Wert verbirgt sich der Durchschnitt aller anderen Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern, in denen Besucherinnen und Besucher ebenfalls im Rahmen der Vitale Innenstädte Studie 2022 befragt wurden.
Frankfurts Innenstadtbesucher werden älter. Das Durchschnittsalter der befragten Innenstadtbesucher liegt bei 44 Jahren. Mit diesem Wert liegt Frankfurt etwas über dem Ortsgrößendurchschnitt (41 Jahre). Seit 2018 ist in Frankfurt am Main ein Anstieg des durchschnittlichen Alters um vier Jahre festzustellen.
PKW als Verkehrsmittel für den Innenstadtbesuch unverzichtbar. Die Wahl der Verkehrsmittel für die Anreise bleibt im Vergleich zu 2018 nahezu unverändert: Knapp 48 Prozent aller befragten Besucherinnen und Besucher kommen mit dem ÖPNV in die Innenstadt (unverändert gegenüber 2018) und rund 33 Prozent mit dem PKW/Motorrad (+1 Prozentpunkte zu 2018). Die Anreise mit dem PKW/Motorrad hat dabei gerade für Besucherinnen und Besucher von außerhalb mit rund 55 Prozent eine große Bedeutung, die an den einkaufsstarken Samstagen mit gut 58 Prozent weiter zunimmt.
Der Aussage „Ich würde auch ohne PKW zum Einkaufen in die Frankfurter Innenstadt kommen, z. B. mit dem ÖPNV, dem Rad oder zu Fuß“ stimmen insgesamt gut 70 Prozent aller Befragten „eher“ oder sogar „voll und ganz“ zu. Eine differenzierte Betrachtung zeigt jedoch, dass gerade bei befragten Innenstadtbesuchern aus dem Umland (56 Prozent) sowie bei den Befragten, die mit dem PKW/Motorrad angereist sind (45 Prozent) deutlich niedrigere Zustimmungswerte vorliegen. An den traditionell verkaufsstarken Samstagen scheint die Bereitschaft für eine Anreise ohne Auto weiter reduziert: Besucher von würden zu knapp 46 Prozent und PKW-/Motorradfahrer zu 63 Prozent „eher nicht“ oder „gar nicht“ nach Frankfurt kommen. Der Anreise mit dem PKW/Motorrad – insbesondere an den Samstagen – wird demnach von vielen Befragten eine große Bedeutung beigemessen.
Ulrich Caspar, Präsident der IHK Frankfurt am Main, erläutert wie folgt die Lage: „Besonders positiv festzustellen ist, dass trotz des eingesetzten Strukturwandels im Einzelhandel und der Auswirkungen der Corona-Pandemie die Frankfurter Innenstadt rund um die Zeil als wichtigste Einkaufsmeile im FrankfurtRheinMain in den letzten vier Jahren seine Magnetwirkung auf (über-)regionaler Ebene leicht ausbauen konnte. Aus den Befragungsergebnissen geht ebenso hervor, dass ein Großteil der motorisierten und auswärtigen Kunden nicht bereit wäre, zum Einkaufen in die Innenstadt auf das Auto zu verzichten. Sollte die Stadt Frankfurt seine autofreie Politik in der Innenstadt und den Einkaufsstraßen weiterverfolgen, drohen dem innerstädtischen Einzelhandel viele der kaufkraftstärksten Kunden aus dem Umland verloren zu gehen, womit letztendlich die Wirtschaftskraft und Attraktivität der Frankfurter Innenstadt als Einzelhandelsstandort darunter leiden würde.“
Die Attraktivität der Frankfurter Innenstadt: Schulnote „gut“ mit erkennbaren Verbesserungspotenzial.  Die befragten Besucherinnen und Besucher sind mit der Innenstadt von Frankfurt am Main durchweg zufrieden und attestieren deswegen die Schulnote „gut“ (2,5). Mit dieser Note fällt die Frankfurter Innenstadt auf die Bewertung aus dem Jahr 2014 zurück, nachdem sich der Wert zwischenzeitlich im Jahr 2018 mit 2,2 verbessert hatte.
Das Einzelhandelsangebot (2,2) insgesamt erhält eine ähnliche Bewertung. Das Angebot des Bekleidungseinzelhandels im Speziellen bekommt sogar die Bestnote „sehr gut“ (1,9). Beide Bewertungen liegen auf demselben Niveau wie 2018. Nichtsdestoweniger verdeutlichen die Ergebnisse Handlungsbedarfe, die schon 2018 akut waren: Verbesserungspotenziale sehen die Befragten einerseits bei den Einzelmerkmalen Sauberkeit (3,1) und Sicherheit (2,6), die ähnlich wie 2018 bewertet wurden, sowie andererseits bei Parkmöglichkeiten (3,4), Autofreundlichkeit (3,3), Grünflächen/Stadtbegrünung (2,9) und Familienfreundlichkeit (2,7), die erstmals bei der 2022er Befragung erfasst wurden.
Dr. Alexander Theiss, Geschäftsführer Standortpolitik der IHK Frankfurt am Main, kommentiert diese Ergebnisse: „Auffällig ist, dass schlechter bewertete Aspekte wie Sicherheit und Sauberkeit sowie Parkmöglichkeiten 12 Jahre nach Beginn der Befragungsreihe in der Frankfurter Innenstadt sich in der Beurteilung kaum verändert haben und nach wie vor als Daueraufgaben der Stadt Frankfurt bleiben. Auch in Sachen Autofreundlichkeit als neue eingeführte Kategorie ist die Bewertung eindeutig negativ. Daraus lässt sich eine klare Botschaft für die Stadt Frankfurt ablesen: Wir sollen alle gemeinsam an den Grundvoraussetzungen arbeiten, um die Frankfurter Innenstadt als Herz unseres Wirtschaftsstandorts attraktiver zu machen, und zwar für alle Besucher – unabhängig von der Verkehrsmittelwahl.“
Handel bleibt Anziehungsfaktor Nr. 1 für den Innenstadtbesuch. Interessante Ergebnisse liefert die Analyse der Besuchsmotive: Der Einkaufsbummel ist für knapp 71 Prozent aller Befragten Besuchsanlass (+20 Prozentpunkte gegenüber 2018), gefolgt von der Gastronomie mit fast 51 Prozent (+23 Prozentpunkte gegenüber 2018). An den Samstagen benennen sogar drei von vier Befragten, die nicht in Frankfurt wohnen, Einkaufen als Besuchsmotiv. Weitere Besuchsanlässe, darunter „Verweilen/Sightseeing“ (22 Prozent; +7 Prozentpunkte gegenüber 2018), Behördengänge/Arzt/Arbeit/Ausbildung (18 Prozent; +6 Prozentpunkte gegenüber 2018), Inanspruchnahme von Dienstleistungsangeboten (16 Prozent; +10 Prozentpunkte zu 2018) sowie Freizeit- und Kulturangeboten (rund 16 Prozent; + 5 Prozentpunkte gegenüber 2018) haben zwar moderat zugelegt, werden aber doch vergleichsweise seltener genannt.
Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst merkt hierzu an: „Der starke Einzelhandel und das breite gastronomische Angebot sind entscheidend für die Attraktivität der Frankfurter Innenstadt. Es ist eine erfreuliche Botschaft, dass Einkaufsbummel trotz zunehmenden Onlinehandels der mit deutlichem Abstand wichtigste Besuchsanlass der Frankfurter Innenstadt sind und gegenüber der Zeit vor der Corona-Pandemie sogar noch an Bedeutung gewonnen haben. Diese Zahlen dürfen ohne Wenn und Aber als Kompliment an unsere Gewerbetreibenden und Gastwirte verstanden werden. Andererseits sind damit auch politische Hausaufgaben verbunden. Nur wenn die Innenstadt für Besucher aus Nah und Fern gut erreichbar bleibt, können wir das offenkundig vorhandene Potenzial des stationären Einzelhandels und der Gastronomie weiterhin ausschöpfen. Es ist mein Ziel, die Innenstadt gemeinsam mit Händlern und Gastronomen als Wirtschaftsfaktor und Aushängeschild Frankfurts zu stärken.“
Ausgabeverhalten im Einzelhandel: Auswärtige und motorisierte Kunden wollen mehr Geld ausgeben. Etwas mehr als die Hälfte aller Befragten beabsichtigen, beim Einkauf zwischen 20 und 100 Euro auszugeben. Knapp 29 Prozent planen sogar Ausgaben von mehr als 100 Euro. Dabei zeigt sich im Einzelnen, dass Besucherinnen und Besucher von außerhalb (43 Prozent) vergleichsweise häufiger als Frankfurter (18 Prozent) planen, mehr als 100 Euro auszugeben. Das gleiche gilt für Besucherinnen und Besucher, die mit dem PKW/Motorrad anreisen (49 Prozent) im Vergleich zu ÖPNV-Nutzern (23 Prozent) und Radfahrern (10 Prozent). An den Samstagen planen Besucherinnen und Besucher von außerhalb (45 Prozent) sowie PKW- und Motorradfahrer (51 Prozent) noch häufiger, größere Ausgaben zu tätigen.
Ansgar Roese, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Frankfurt, gibt zu bedenken: „Bei der Befragung zeichnen sich deutliche Effekte des Strukturwandels im Einzelhandel ab: Etwa die Hälfte aller Befragten gibt an, zwar online einzukaufen, die Innenstadt aber unverändert häufig zum Shoppen aufzusuchen (-10 Prozentpunkte gegenüber 2018). Der Anteil derjenigen, die häufiger online shoppen und die Innenstadt deshalb seltener aufsuchen, ist in den letzten vier Jahren allerdings von 20 Prozent auf 30 Prozent angestiegen. Dieser Trend ist in ähnlichem Maße in den anderen Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern zu beobachten. Die Wirtschaftsförderung unterstützt deshalb dabei, die Geschäftsmodelle von rein stationär tätigen Händlern sowie deren Präsenz zu digitalisieren, um zusätzliche Einzelhandelsumsätze zu generieren, z. B. mit Unterstützung durch das Visionsbüro Frankfurt.“
Handlungsbedarf: Aufenthaltsqualität und Nutzungsmix gewinnen an Bedeutung. Angebotslücken erkennen gut 41 Prozent der Befragten bei Orten zum Verweilen, ca. 41 Prozent bei Geschäften für die tägliche Versorgung (z. B. Lebensmittel, Drogeriewaren) und knapp 38 Prozent bei den Außengastronomieangeboten. Hier sollten „unbedingt“ zusätzliche Angebote geschaffen werden.
Die Wirtschaftsförderung Frankfurt sowie die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main haben das Institut für Handelsforschung (IFH) gemeinsam mit der Umsetzung der Innenstadtbefragung „Vitale Innenstädte 2022“ in Frankfurt am Main beauftragt und darüber hinaus die organisatorische und inhaltliche Abwicklung vor Ort gesteuert. Die Studie „Vitale Innenstädte“ wird vom Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln durchgeführt. Die Befragung von ca. 2.000 Passanten in Frankfurt am Main wurde zwischen September und November 2022 an verschiedenen Donnerstagen und Samstagen in der Innenstadt durchgeführt. Parallel fanden Umfragen in weiteren 111 Kommunen unterschiedlicher Größe in ganz Deutschland statt.