Abbau regulatorischer Hürden im Finanzsektor dringend erforderlich IHK-Präsident Caspar: „Regulierung ist kein Selbstzweck”
17. Juli 2025
Regulierung und Bürokratie hemmen zunehmend wirtschaftliche Aktivität und verursachen hohe Kosten – auch und gerade in der Kreditwirtschaft. Um Möglichkeiten zum Abbau von Überregulierung zu erörtern, hatte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main am Mittwochabend (16. Juli) zu einer Diskussionsveranstaltung am Frankfurter Börsenplatz eingeladen, bei der sich Repräsentanten von Kreditinstituten mit Mandatsträgern aus Landes-, Bundes- und Europapolitik darüber austauschten, wie viel Regelungsbedarf tatsächlich besteht und welche bestehenden Regeln verzichtbar sind. Nach Keynotes des Hessischen Finanzministers, Prof. Dr. R. Alexander Lorz MdL sowie von KfW-Vorstand Dr. Stefan Peiß debattierten – moderiert vom Chefreporter der Börsen-Zeitung Dr. Detlef Fechtner – der Europaabgeordnete Prof. Dr. Sven Simon MdEP sowie die Bundestagsabgeordneten Dr. Klaus Wiener MdB und Amand Zorn MdB mit dem CEO der Helaba Thomas Groß und dem Citi Country Officer & Head Banking Germany/Austria Stefan Hafke darüber, welche Normen und Regeln die Kreditwirtschaft behindern, ihrer Kernaufgabe, die Finanzierung von Unternehmen, nachzukommen.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main setzt sich für den Abbau regulatorischer Hürden für die Kreditwirtschaft ein, damit die Finanzierung von Unternehmen der Realwirtschaft verbessert wird. „Banken und Sparkassen sind im Nachgang der globalen Finanzkrise mit einem sehr dichten Netz an neuen und schärferen Vorschriften überzogen worden. Bei allem Verständnis, die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors zu stärken: Einige Regelungen haben sich als zu umfangreich erwiesen. Höhere Zinsen und Gebühren infolge der Bankenüberregulierung belasten die Gesamtwirtschaft: Sie binden teure Ressourcen in den Instituten und engen – teilweise ohne erkennbaren Nutzen – mehr und mehr die Kreditvergabe an den Mittelstand ein“, sagte Ulrich Caspar, Präsident der IHK Frankfurt am Main, bei der Eröffnung der Veranstaltung.
„Wenn wir die wirtschaftliche Flaute hierzulande hinter uns lassen wollen, dürfen notwendige Zukunftsinvestitionen unserer Betriebe, etwa in Digitalisierung und die nachhaltige Transformation, nicht an fehlenden Finanzmitteln scheitern. Daher brauchen wir neben einer grundlegenden Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen für die Kreditwirtschaft auch den zügigen Abbau von Regulierung und Bürokratie im Finanzbereich. Das bedeutet nicht, dass gleich alle Regeln über Bord geworfen werden. Aber Regulierung ist kein Selbstzweck, sondern soll dazu beitragen, die Finanzierung der Realwirtschaft zu sichern“, so Caspar. Ziel müsse es sein, ein international wettbewerbsfähiges Regulierungsniveau herzustellen. Während aber andere Wirtschaftsregionen die Umsetzung des Basel-III-Regelwerks für ihre heimische Finanzindustrie aussetzten, deute sich in Europa noch eine weitgehend wortlautgetreue und umfassende Umsetzung der Baseler Vorgaben an.
„Die Regulierung sollte zudem keine internen Widersprüche oder Dopplungen beinhalten. So stehen im Regime der EU-Taxonomie, die für die Immobilienfinanzierung bedeutsam ist, besonders energieeffiziente Gebäude im Fokus; die Energy Performance of Buildings Directive (EPBD) der EU stellt hingegen mit ihren Vorgaben auf die am wenigsten nachhaltigen Gebäude ab. Es ist ferner nicht erforderlich, dass Vorschriften für kleine Institute ebenso streng und komplex ausfallen wie für große Häuser, etwa im Meldewesen. Fast alle Regulierungsmaßnahmen, die nach der Finanzkrise installiert wurden, sind im Kern auf international tätige Großbanken ausgerichtet. Seit längerem wird in Europa über eine sogenannte ‚Small Banking Box‘ nachgedacht – einen eigenen regulatorischen Ordnungsrahmen für kleine und mittlere Institute. Diese Diskussion sollten wir zügig führen und bereits bestehende Spielräume für kleine Institute eindeutig als Regel und nicht als Ausnahme definieren“, regte Caspar an.
Außerdem sollten die Auswirkungen der Bankenregulierung auf die Unternehmensfinanzierung laufend und mit Augenmaß evaluiert und die Vorschriften auf Basis der Ergebnisse angepasst werden. „Das betrifft nicht zuletzt die Vielzahl an bestehenden Kapitalpuffern, die EU-Banken derzeit vorhalten müssen. Der wohnwirtschaftliche Systemrisikopuffer und der antizyklische Kapitalpuffer gehören beizeiten und zukünftig in engeren Abständen auf den Prüfstand. Wenn wir bei diesen Punkten Fortschritte erzielen, wahren wir die Finanzstabilität und setzen zugleich Wachstumskräfte frei. Und das ist in der aktuellen Lage wichtiger denn je“, warb der IHK-Präsident für die Position der Kammer.
Prof. Dr. R. Alexander Lorz, Hessischer Staatsminister der Finanzen: „Die Landesregierung setzt sich auf allen Ebenen für die Kreditwirtschaft und den Finanzplatz Frankfurt ein. Unsere Finanzplatzinitiative zeigt den Schulterschluss der wichtigsten Akteure am Finanzplatz Frankfurt mit dem Land. Für mehr Wettbewerbsfähigkeit werben wir auf nationaler Ebene für die gezielte Verankerung des Proportionalitätsgedankens in Gesetzen und Verordnungen. Dadurch sollen Aufseher mehr Spielräume bekommen. Doppelungen bei den Meldevorgaben auf EU- und nationaler Ebene sollen abgeschafft werden. Im Austausch mit Entscheidern auf EU-Ebene setzen wir uns für eine Regulierung mit Augenmaß ein, die der Vielfalt unserer heimischen Kreditwirtschaft und damit auch den Unternehmen zugute kommt. Klar ist aber auch: Ohne Berlin und Brüssel klappt das nicht, denn viele relevante Regelungen können wir nicht im hessischen Alleingang beschließen.”
Thomas Groß, Vorsitzender des Vorstands Helaba – Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale:
„Der Finanzierungsbedarf bei Unternehmen und der öffentlichen Hand ist angesichts der aktuellen Herausforderungen enorm. Diesen Bedarf zu decken, schaffen wir nur gemeinsam. Wir benötigen einen Finanzierungsmix, bestehend aus Bankenfinanzierung, Finanzierungen über den Kapitalmarkt, Private Equity sowie staatliche Förderung und Investitionen. Dem Abbau von Bürokratie und Regulatorik auf Unternehmens- und Bankenseite kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu.“
Stefan Hafke, Citi Country Officer & Head Banking Germany/Austria:
„Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft braucht starke Kapitalmärkte, die Innovation vorantreiben und Unternehmen den Zugang zu Finanzierung erleichtern. Wenn wir Ideen fördern und Investitionen ermöglichen, schaffen wir Wachstum und stärken Europa im globalen Wettbewerb.“
Dr. Stefan Peiß, Mitglied des Vorstands, KfW Bankengruppe:
„Der Zweck von Regulierung – die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten – steht außer Frage. Jetzt ist es aber Zeit für eine Rekalibrierung der Regulierung. Initiativen zur Deregulierung, wie die Omnibus-Verfahren in Brüssel, müssen dabei ganzheitlich gedacht werden, damit die Erleichterungen auch wirklich bei den Unternehmen ankommen.“
Prof. Dr. Sven Simon MdEP:
„Unsere Banken brauchen Luft zum Atmen, wenn sie den Mittelstand finanzieren sollen. Einen Ordnungsrahmen, der Kapital mobilisiert statt blockiert, halte ich für unerlässlich. Die Überwindung der Fragmentierung europäischer Kapitalmärkte sollte ein zentrales Ziel, denn grenzüberschreitende Investitionen scheitern noch immer zu oft an einem Flickenteppich nationaler Regeln. Eine echte Kapitalmarktunion ist der größte Hebel, um Innovationen und Wachstum in Europa voranzubringen – davon könne auch der Finanzstandort Frankfurt massiv profitieren. Berichtspflichten und Offenlegung müssen auf Effizienz und Wirkung geprüft und dort, wo nötig, zurückgenommen werden. Die Omnibus-Pakete der Kommission sind hierfür ein erster Schritt – nun kommt es auf die konsequente Umsetzung an. Ich stimme Präsident Caspar zu: Regulierung darf kein Selbstzweck sein.“
Dr. Klaus Wiener MdB:
„Die Kreditwirtschaft und die Kapitalmärkte spielen eine wesentliche Rolle bei der Bewältigung der vielen Herausforderungen unserer Zeit. Öffentliche Gelder werden nicht ausreichen, um die Infrastruktur zu ertüchtigen, Klimaneutralität zu erreichen und die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen. Hierzu ist auch privates Kapital in erheblichem Umfang erforderlich. Vor diesem Hintergrund muss Regulierung die Finanzstabilität im Blick haben, eine nationale Übererfüllung darf es aber nicht geben. Zudem gilt es auf allen Ebenen zu prüfen, ob alle Vorschriften der letzten Jahre geeignet waren, eine gute Balance aus Finanzstabilität und Deckung der Finanzierungsbedarfe herzustellen.“
Armand Zorn MdB:
„Durch steuerliche Entlastungen und verbesserte Rahmenbedingungen schaffen wir Anreize für Unternehmen zu investieren, während das Sondervermögen Infrastruktur zusätzlich neues Kapital in den Markt bringt. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Stärkung der europäischen Kapitalmarktunion, um Unternehmen einen besseren Zugang zu Finanzmitteln zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass die Bankenregulierung stärker auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen ausgerichtet ist – ohne dabei die Finanzstabilität zu gefährden.“
v.l.
Dr. Detlef Fechtner (Chefredakteur Börsen Zeitung -Moderator)
Stefan Hafke (Citi Country Officer & Head Banking Germany/Austria)
Dr. Klaus Wiener MdB
Ulrich Caspar (Präsident der IHK Frankfurt/Main)
Dr. Stefan Peiß (Mitglied des Vorstands der KfW-Bankengruppe)
Prof. Dr. Sven Simon MdEP
Staatsminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz MdL (Finanzminister des Landes Hessen)
Armand Zorn MdB
Thomas Groß (CEO Helaba)
Bildquelle: IHK Frankfurt/Main
