Wirtschaft benötigt geeignete Rahmenbedingungen für funktionierende Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe


20. Februar 2025
Wie kann die Kreislaufwirtschaft als Standard etabliert werden, damit der Wirtschaftsstandort Hessen langfristig gestärkt wird? Diese Frage stand im Zentrum der Veranstaltung „Quo vadis? Chancen & Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft in der hessischen Bauwirtschaft“, zu der am 19. Februar 2025 zahlreiche interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Baugewerbe in die Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main gekommen waren.
„Die Bau- und Immobilienwirtschaft ist eine der Schlüsselbranchen, um die Nachhaltigkeitsziele der EU zu erreichen. Rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen werden durch den Bau, Betrieb, aber auch den Rückbau von Gebäuden emittiert, was rund 230 Millionen Tonnen Abbruchabfall pro Jahr erzeugt. Circular Building – Kreislaufwirtschaft im Bauwesen – kann eine Lösung sein, um weiterhin im benötigten Ausmaß und unter Berücksichtigung von ökonomischen und ökologischen Faktoren bauen zu können“, sagte Oliver Schwebel, Vizepräsident der IHK Frankfurt am Main.
Wie eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) aus dem Jahr 2024 gezeigt hat, ist das Thema Kreislaufwirtschaft längst bei den Unternehmen in der Region angekommen. Eine Mehrheit der befragten Unternehmen gab dabei an, sich bereits systematisch mit den Potenzialen der Kreislaufwirtschaft auseinanderzusetzen und zu prüfen, wie sich Elemente der Kreislaufwirtschaft in den eigenen Geschäftsbetrieb einbinden lassen.
Laut der DIHK-Umfrage erkennen die Unternehmen in der „Circular Economy” insbesondere eine Chance, durch eine Steigerung der Ressourceneffizienz einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. Daneben spielen ebenso ökonomische Vorteile eine Rolle, denn abhängig vom Volumen des jeweiligen Bauprojekts lassen sich aus der Wiederverwendung bzw. dem Recycling von Materialien auch Einspareffekte bei den Baukosten realisieren. Doch während die Recyclingquote für mineralische Bau- und Abbruchabfälle bereits bei knapp 90 Prozent liegt, fällt diese für die übrigen Materialien bislang noch deutlich geringer aus.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion während der IHK-Veranstaltung „Quo vadis? Chancen & Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft in der hessischen Bauwirtschaft“ wurde deutlich, dass neben den Investitionskosten vor allem die Regulatorik von entscheidender Bedeutung ist. „Die zum Teil komplexen gesetzlichen Vorgaben erschweren den flächendeckenden Einsatz recycelter Baustoffe, sodass deren Anwendung bislang auf wenige Einzelfälle beschränkt ist“, sagte Dr. Thomas Schröer, Mitglied der Hessischen Fachkommission Innovationen im Bau und des IHK-Ausschusses Bau- und Immobilienwirtschaft. „So scheitert der Einsatz recycelbarer Stoffe in der Praxis häufig daran, dass die notwendige Zweckbestimmung des Bauprodukts teilweise erst mit der Bestandsaufnahme während des Ausbaus möglich ist. Zur Verhinderung der Abfalleigenschaft müsste die Zweckbestimmung allerdings von Anfang an – und damit vor dem Ausbau – sichergestellt sein.“
IHK-Vizepräsident Oliver Schwebel appellierte daher an die Politik, geeignete Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu etablieren. Schwebel: „Die zirkuläre Wertschöpfung wird politisch zurzeit stark über Regulierung und Anreize vorangetrieben. Und das stellt insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Diese fürchten einen hohen Dokumentationsaufwand und geben an, dass die Vielzahl neuer Vorgaben die Planungssicherheit gefährde. Daher sollten die damit verbundenen Berichtspflichten für Unternehmen so überschaubar wie möglich gehalten werden. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, in ausreichendem Maß Informations- und Beratungsangebote sowie Förderprogramme für die Unternehmen aufzulegen.“
Einen Ansatz, die Regulierung Hand in Hand mit der unternehmerischen Praxis zu entwickeln, bilden Reallabore, die als Experimentierräume dienen. Mit ihrer Hilfe lässt sich anhand von konkreten Projekten und Beispielen ein handhabbarer Rechtsrahmen für die Zukunft konzipieren. Das bestätigte auch Daniel Imhäuser, Initiator von Circle – Hub für Urban Mining und Mitglied im IHK-Ausschuss für Verkehr, Logistik und Mobilität: „In dem 2024 gegründeten Circle Hub organisieren sich inzwischen 45 Unternehmen der Bau- und Kreislaufwirtschaft mit eigens eingerichteten Betriebsstätten auf rund 2.000 Quadratmetern im Hafen von Offenbach am Main. Durch die räumlich enge Zusammenarbeit der Unternehmen entlang des gesamten Kreislaufs soll eine höhere Recyclingquote für Bauabfälle erreicht und deren Transportwege verkürzt werden. So hat Circle zum Beispiel in der Stadt Frankfurt ein System entwickelt, um Betonpflaster innerhalb des Stadtgebietes zu recyclen und auch dort wieder in neuem Beton zu verwenden.“