Offener Brief an die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung
02. Mai 2025
Sehr geehrte Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt am Main,
der vom Magistrat verabschiedete Entwurf des Masterplans Mobilität berücksichtigt noch nicht die zentralen Belange der Unternehmen in Frankfurt, insbesondere deren Erreichbarkeit für ihre Fachkräfte und Kunden. Wir bitten Sie, die von Unternehmen, Kammern und Verbänden seit langem vorgetragenen Anliegen aufzugreifen und dies bei der Behandlung des Themas in der Stadtverordnetenversammlung zu berücksichtigen.
Dazu zählen insbesondere
a) eine Abkehr von der an zahlreichen Textstellen festgeschriebenen undifferenzierten und pauschalen Bevorzugung von Fuß- und Radverkehr gegenüber dem Kfz-Verkehr. Angesichts der (noch) nicht vorhandenen Leistungsfähigkeit und Unzuverlässigkeit des ÖPNV sind die angestrebten Verlagerungen des Modal Split vom MIV zu anderen Verkehrsträgern kaum erreichbar und könnten vielmehr dazu führen, dass die Unternehmen in Frankfurt für einpendelnde Fachkräfte und auswärtige Kunden nicht mehr erreichbar sind. Außerdem wirken sich die Maßnahmen negativ auf den Verkehrsfluss des Wirtschaftsverkehrs und MIV aus. Das Unverständnis in der Unternehmerschaft nimmt diesbezüglich deutlich zu.
b) die Festschreibung einer intensiven, frühzeitigen und ernst gemeinten Beteiligung der betroffenen Unternehmen im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen im Straßenraum. Unternehmen stehen Veränderungen nicht grundsätzlich negativ gegenüber, möchten jedoch ihre Belange berücksichtigt wissen und benötigen aufgrund langfristiger Mietverträge zudem längere Zeiträume für Anpassungen des Geschäftsmodells. Im ungünstigsten Fall können Umstrukturierungen im Straßenraum eine Verödung der bisherigen Einzelhandelsstandorte durch Wegzug der Unternehmen an andere Standorte oder Geschäftsaufgaben zur Folge haben.
c) einen umfangreichen Ausbau des ÖPNV und damit einhergehend auch der Park+Ride-Kapazitäten vor der Umsetzung weiterer Einschränkungen des MIV in der Zufahrt ins oder im Stadtgebiet.
Seit der Verabschiedung des Gesamtverkehrsplans im Jahr 2005 hat sich Frankfurt erheblich weiterentwickelt. Die Stadt verzeichnet sowohl ein wirtschaftliches als auch ein demografisches Wachstum, das im bestehenden Plan nicht berücksichtigt werden konnte. Vor diesem Hintergrund hatten wir uns bereits im September 2019 mit der Erwartung an Sie und Ihre Vorgänger gewandt, einen breit angelegten gesellschaftlichen Dialog über Verkehr und Mobilität in Frankfurt und der Region zu initiieren. Ziel war die Entwicklung eines strategischen Masterplans zur Verkehrsinfrastruktur und Mobilität der Zukunft als Bestandteil des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts, um den Gesamtverkehrsplan an die veränderten Bedingungen anzupassen.
Die Stadtregierung entschied daraufhin, einen Masterplan Mobilität auf Basis der EU-Vorgaben für nachhaltige urbane Mobilitätspläne (Sustainable Urban Mobility Plan – SUMP) zu erstellen. Diese Vorgaben betonen insbesondere die Förderung des multimodalen Verkehrs durch die Integration verschiedener Verkehrsträger sowie die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Wirtschaftsakteuren in den Erarbeitungsprozess. Zwar fand ein breit angelegter Beteiligungsprozess statt. Allerdings mussten wir feststellen, dass dieser Prozess nicht ergebnisoffen gestaltet war. Vielmehr scheint das Endergebnis bereits zu Beginn festgelegt gewesen zu sein. Unsere Kritik hierzu wurde während der Erstellungsphase mehrfach geäußert und leider nicht weiter beachtet.
Im vorliegenden Entwurf des Masterplans Mobilität wird die Bedeutung des Verkehrs für die Wirtschaft fast ausschließlich auf Lieferzonen und Logistik reduziert. Die Erreichbarkeit der Unternehmen für Kunden und Fachkräfte findet hingegen kaum Beachtung. Zudem bleibt die hohe Pendlerquote Frankfurts weitgehend unberücksichtigt, während dem Radverkehr an vielen Stellen pauschal Vorrang vor dem Kfz-Verkehr eingeräumt wird. Insgesamt wird der Text dem auch künftig hohen Stellenwert des motorisierten Individualverkehrs in Frankfurt nicht gerecht.
Bereits im Koalitionsvertrag der aktuellen Römer-Koalition wurde festgelegt, dass bestehende Konzepte – insbesondere die Beschlüsse zum Radentscheid – in den Masterplan Mobilität einfließen sollen. Dies wurde konsequent umgesetzt, jedoch unter Verwendung suggestiver Beteiligungsmethoden. Statt der von der EU geforderten Integration verschiedener Verkehrsträger wird im Masterplan eine Mobilitätswende verfolgt. Besonders problematisch ist die Formulierung, dass Politik und Verwaltung den Auftrag hätten, „die Mobilitätswende nach außen zu verteidigen“. Eine solche Rhetorik ist nicht zielführend und trägt nicht zu einer sachlichen, lösungsorientierten Debatte bei.