Arbeitszeitgesetz

Die Einhaltung der Vorschriften zur Regelung der täglichen Arbeitszeit bereitet den Unternehmen zusehends Schwierigkeiten und Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz sind an der Tagesordnung. Die nachfolgenden Ausführungen sollen zeigen, dass das Arbeitszeitgesetz Möglichkeiten einer Abweichung von den grundsätzlichen Bestimmungen eröffnet, wenn man einige Dinge beachtet.
 
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 2022 hat der Betriebsrat kein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems. Der Arbeitgeber sei nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG bestehe nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt sei.
Praktisch relevant ist, dass das BAG klarstellt, dass es keiner Umsetzung durch den Gesetzgeber bedürfe, da sich die Pflicht zur Einführung eines Zeiterfassungssystems unmittelbar aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG ergebe. Es besteht daher akuter Handlungsbedarf, falls noch kein entsprechendes Arbeitszeiterfassungssystem implementiert wurde.
Das Urteil des BAG knüpft an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2019 an (Az. C-55/18), in dem dieser auf europäischer Ebene bereits eine Pflicht zur Schaffung eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems” der Arbeitszeiterfassung statuiert hatte.
Das Urteil des BAG im Volltext findet sich unter: https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1-abr-22-21/


1. Grundsatz: Der 8-Stunden-Tag


§ 3 des ArbZG ordnet an, dass die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer 8 Stunden nicht überschreiten darf. Wie die Überschrift schon besagt: Dies ist (aber nur) der Grundsatz.

Wichtig:

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG erfassen die 8 Sunden nur die reine Arbeitszeit, nicht dagegen die Pausen von einer viertel bis dreiviertel Stunde. Auch die Zeit von und zur Arbeit wird nicht eingerechnet.
2. Das Arbeitszeitgesetz findet keine Anwendung bei Leitenden Angestellten, Chefärzten und Dienststellen- und Personalleitern im öffentlichen Dienst, § 18 ArbZG. Eine Ausnahme wird auch bei solchen Arbeitnehmern gemacht, die (wie eine angestellte Erzieherin) mit den Ihnen anvertrauten Personen in häuslicher Gemeinschaft leben.


2. Zulässige Abweichungen


a) Nach § 3 Satz 2 ArbZG ist eine Ausdehnung auf werktäglich 10 Stunden jederzeit zulässig. Voraussetzung ist aber, dass innerhalb eines sog. Ausgleichszeitraumes von sechs Monaten oder 24 Wochen ein Durchschnitt von acht Stunden werktäglich erreicht wird.
Beispiel:
Der Arbeitgeber hat kurzfristig einen erhöhten Arbeitsanfall. Er kann deshalb die Arbeitszeit beispielsweise für vier Wochen auf werktäglich 10 Stunden ausdehnen, wenn innerhalb der nächsten 6 Monate vier Wochen lediglich 6 Stunden pro Werktag gearbeitet wird.
In diesem Fall kann also nur noch von einem durchschnittlichen 8-Stunden-Tag die Rede sein.

b) § 7 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG eröffnet die Möglichkeit, über den Tarifvertrag eine noch stärkere Flexibilisierung zu erreichen: Fällt in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichen Umfang Arbeitsbereitschaft, so kann die 10-Stunden-Grenze überschritten werden. Im Tarifvertrag kann auch ein längerer Ausgleichszeitraum (als der oben 1a beschriebene) festgelegt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, auf den Ausgleich ganz zu verzichten: Voraussetzung hierfür ist aber, dass im Jahr an höchstens 60 Tagen zehn Stunden gearbeitet wird.

c) Nach § 14 Abs. 1 ArbZG ist es zulässig, in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind, vom den Regelungen des § 3 ArbZG abzuweichen. Insofern bestehen auch keine Obergrenzen.
(Anmerkung: Notfälle sind ungewöhnliche Ereignisse, die die Gefahr eines unverhältnismäßigen Schadens nach sich ziehen - Gefahrenabwehr - z. B. Unwetter, Sturmflut, Überschwemmungen usw. Aus der gesetzlichen Formulierung “deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind” ergibt sich, dass der Arbeitgeber auf andere Weise als durch die Abweichung von § 3 ArbZG, dem Entstehen des außergewöhnlichen Falles entgegen wirken muss)

d) § 15 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG regelt, dass die zuständige Aufsichtsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen Überschreitungen des von § 3 ArbZG vorgegebenen Zeitrahmens bewilligen kann. Nach § 15 Abs. 2 ArbZG sind weitere Ausnahmen möglich, wenn dies im öffentlichen Interesse dringend nötig ist.

Das Staatliche Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik stellt bei näherer Betrachtung der Problembereiche fest, dass durch eine Verdichtung der täglichen Arbeitsaufgaben auf immer weniger Personal, die möglichen Verstöße bzgl. des Arbeitszeitrechts derzeit ständig zunehmen. Sorgen bereiten dem Staatlichen Amt vor allem die Themenfelder “Rufbereitschaftsdienste” sowie “Projektorientiertes Arbeiten”. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Arbeitsschutzverwaltung empfindliche Bußgelder gegen Unternehmen verhängen kann. Je Verstoß muss mit einem Bußgeld von bis zu EUR 15.000,-- gerechnet werden. Kommt es trotz Ermahnung und Bußgeld zu einem Wiederholungsfall oder geschieht der Verstoß vorsätzlich, handelt es sich um eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden kann.


3. Ruhepausen


Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden bis zu neun Stunden ist die Arbeit durch eine im Voraus festgelegte Ruhepause von mindestens 30 Minuten, und bei einer Arbeitszeit von mehr als insgesamt neun Stunden, durch eine Ruhepause von 45 Minuten zu unterbrechen. Die Ruhepausen können jeweils in Zeitabschnitte von mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden (§ 4 ArbZG).

Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit müssen Arbeitnehmer eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.
Eine Verkürzung um bis zu einer Stunde ist nach § 5 Abs. 2 ArbZG in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen, in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung, in Verkehrsbetrieben, beim Rundfunk sowie in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung möglich, wenn jede Verkürzung innerhalb von vier Wochen bzw. eines Kalendermonats durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden ausgeglichen wird.


Problembereich Rufbereitschaftsdienste:


Es gibt insbesondere Unternehmen in der IT-, Kommunikations- und Versorgungsbranche, die zur Sicherstellung ihrer oder der Funktionsfähigkeit eines fremden Betriebes Bereitschaftsdienste/Rufbereitschaften einrichten. Durch diese Arbeitseinsätze entstehen dann, im Hinblick auf die Einhaltung von Arbeitszeitvorschriften insbesondere Ruhezeitunterschreitungen, Schwierigkeiten, die das Staatliche Amt immer häufiger zum Handeln zwingen.

1. Überschreitung der täglich zulässigen Arbeitszeit von 10 Stunden!

Das Arbeitszeitgesetz lässt innerhalb gewisser Grenzen Ausnahmen von dem oben aufgestellten Grundsatz zu. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet - abhängig von der Häufigkeit der Einsätze - zu prüfen, ob nicht durch andere Maßnahmen derartige Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit zu vermeiden sind. Dies kann z. B. dadurch geschehen, dass die regelmäßige Arbeitszeit der betroffenen Mitarbeiter an den Tagen, an denen Rufbereitschaftsdienst geleistet wird, verkürzt wird. Um es aber nochmals zu verdeutlichen: Grundsätzlich beträgt die tägliche Arbeitszeit eines Mitarbeiters in Deutschland, jedenfalls durchschnittlich, 8 Stunden. Überschreitungen stellen in der Regel einen Verstoß (Bußgeldfolge) gegen das Arbeitszeitgesetz dar.

2. Nichteinhaltung der gesetzlichen Ruhezeit des Arbeitnehmers von 11 Stunden!

Durch die Einsätze im Rahmen von Rufbereitschaften wird die vorgeschriebene Ruhezeit von 11 Stunden unterbrochen. Nach Beendigung eines Arbeitseinsatzes während der Rufbereitschaft läuft die Ruhezeit von 11 Stunden erneut, so dass sich der Beginn der werktäglichen Arbeitszeit entsprechend nach hinten verlagert. Der Mitarbeiter darf dann erst mit Ablauf der 11 Stunden seine Tätigkeit im Betrieb wieder aufnehmen. Um diesem Problem zu begegnen, sehen Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen auf Grund eines Tarifvertrages Möglichkeiten vor, eine vom Gesetz abweichende Regelung zu treffen. Bestehen für das konkrete Arbeitsverhältnis keine tarifvertraglichen oder vergleichbare Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, kann das zuständige Staatliche Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik eine Ausnahmebewilligung erteilen.

Problembereich Projektorientiertes Arbeiten:


Dieser Themenkreis betrifft überwiegend die Bauwirtschaft, aber auch Anlagenbauer, die Werbebranche und sogar Wirtschaftsprüfungsunternehmen sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Sie haben auf Grund sehr enger Terminsetzungen (von der Planung bis zur Ausführung) durch ihre jeweiligen Auftraggeber die Schwierigkeit, die maximal zulässige Arbeitszeit von 10 Stunden täglich einzuhalten. Zudem kommt es dazu, dass Arbeiten an Sonn- und Feiertagen erledigt werden müssen.
Nach dem geltenden Arbeitszeitrecht darf ein Arbeitgeber nur Aufträge annehmen, die er mit den ihm zur Verfügung stehenden Kapazitäten an Personal so ausführen kann, dass keine Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht zu beklagen sind. Wenn besondere Verhältnisse vorliegen, kann das Staatliche Amt zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens für maximal fünf Sonn- oder Feiertage im Jahr eine Ausnahmebewilligung erteilen.
Das Staatliche Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik unterscheidet grundsätzlich vier Arten von Arbeitszeit. Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft.
Abgrenzungskriterium, ob Arbeitszeit vorliegt oder nicht ist dabei die “Bindung an den Arbeitsplatz”. Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft (= gegeben z. B. beim Pförtner und im Bewachungsgewerbe) sind nach Auffassung des Staatlichen Amtes Arbeitszeit, da die Bindung an den Arbeitsplatz naturgemäß sehr eng ist.
Schwieriger zu beurteilen sind die Fälle des Bereitschaftsdienstes sowie der Rufbereitschaft. Es gibt Gerichtsentscheidungen, wonach Arbeitszeit immer dann vorliegt, solange der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss. Danach wäre Bereitschaftsdienst grundsätzlich Arbeitszeit. Auch der EuGH hat bezüglich eines Verfahrens aus Spanien entschieden, dass die persönliche Anwesenheit des Mitarbeiters im Betrieb als Arbeitszeit anzusehen ist. Eine Verallgemeinerung dieser Entscheidungen ist nicht empfehlenswert, vielmehr bedarf es der Einzelfallbetrachtung. So sieht es auch das Staatliche Amt. Um in diesem Bereich Fehler zu vermeiden, sollte man beim Staatlichen Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik nachfragen oder sich eines Rechtsanwalts bedienen.