Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland

Viele Unternehmen sind heutzutage international ausgerichtet. Zur Erschließung neuer Märkte, der Unterstützung ausländischer Betriebsstätten vor Ort oder zur zielgerichteten Aus- und Weiterbildung sowie dem Erfahrungsaustausch werden zunehmend Mitarbeiter ins Ausland entsendet.

Im Rahmen der Planung des Auslandeinsatzes zählt auch die Sicherstellung eines ausreichenden Sozialversicherungsschutzes des Arbeitnehmers zu den Aufgaben, die der Arbeitgeber im Vorfeld zu bedenken hat.
Im Folgenden sollen die wichtigsten Aspekte des Arbeits- und des Sozialversicherungsrechts im Zusammenhang mit der Entsendung dargestellt werden. Der Beitrag kann aufgrund der Komplexität des Themas allerdings nur die Grundzüge behandeln und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

I. Entsendung


Von einer Entsendung spricht man, wenn ein Arbeitnehmer
  • auf Weisung des inländischen Arbeitgebers
  • seiner Beschäftigung im Ausland nachgeht und
  • diese von vornherein zeitlich befristet ist.
Es handelt sich ebenfalls um eine Entsendung, wenn der Arbeitnehmer eigens für die Beschäftigung im Ausland von dem Unternehmen im Inland eingestellt wird. Lebt der Arbeitnehmer bereits vor Ort im Entsendestaat, handelt es sich nicht um den Fall einer Entsendung, sondern um eine sog. Ortskraft. Eine Entsendung kann als zeitlich kurzer Einsatz von wenigen Tagen oder aber auch als längerfristige oder langjährige Auslandstätigkeit ausgestaltet sein.

II. Arbeitsrechtliche Aspekte


1. Arbeitsvertrag

Die Entsendung kann nicht einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden. Notwendig ist vielmehr eine einvernehmliche Regelung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dieser Grundsatz gilt dann nicht, wenn die Entsendung bereits im Arbeitsvertrag vereinbart wurde oder es sich um eine sehr kurze Entsendung mit Dienstreisecharakter handelt. Beträgt der Entsendezeitraum länger als einen Monat oder ändert sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers während einer Entsendung, so ist jedenfalls die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen gemäß §§ 95 Abs. 3, 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Vertraglich kann eine Entsendung unterschiedlich ausgestaltet werden:
  • Soll das bisherige Arbeitsverhältnis unverändert bestehen bleiben, kann eine zusätzliche Entsendevereinbarung getroffen werden.
  • Alternativ kann das aktuelle Arbeitsverhältnis ruhend gestellt und ein neues im Entsendestaat begründet werden. Diese Variante wird häufig gewählt, wenn Arbeitnehmer innerhalb eines internationalen Konzerns entsendet werden.
    (In diesem Fall besteht die Fürsorgepflicht des bisherigen Arbeitgebers dennoch als Nebenpflicht fort.)
  • Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, das bisherige Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten und zusätzlich ein weiteres Arbeitsverhältnis im Entsendestaat zu vereinbaren, sog. "Split Contract".
2. Welches Arbeitsrecht findet Anwendung?

Ist keine vorrangige vertragliche Vereinbarung über das geltende Recht getroffen worden, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in welchem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der gewöhnliche Arbeitsort befindet sich bei lediglich vorübergehenden Entsendungen weiterhin im Entsendestaat. Das bedeutet, dass bei Entsendungen zwingende Arbeitsvorschriften des ausländischen Rechts anwendbar sind, wie z. B. Regelungen über Arbeitserlaubnis, Arbeitszeiten und Mindestlöhne. Darüber hinaus gibt es noch deutsche Rechtsnormen, welche zwingend angewendet werden müssen, wie Regelungen zu Massenentlassungen und zu Kündigungen nach dem Schwerbehinderten- und Mutterschutzgesetz. Länderspezifische Informationen können die Außenhandelskammern zur Verfügung stellen.

Ist das anzuwendende Recht weder vertraglich, noch nach dem gewöhnlichen Arbeitsort bestimmbar, so unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.


3. Wann endet die Entsendung?

Eine Entsendung endet üblicherweise mit  Ablauf der im Entsendevertrag vereinbarten Dauer oder im Falle einer Zweckvereinbarung mit deren Erfüllung, z.B. dem Abschluss eines Projektes. Ein vorzeitiger Rückruf im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitsgebers ist grundsätzlich möglich, jedoch nur im Rahmen einer vorherigen Interessensabwägung. Es ist empfehlenswert im Entsendevertrag eine Rückrufklausel zu vereinbaren, nach welcher der Arbeitgeber berechtigt ist, seinen Arbeitnehmer innerhalb einer angemessenen Frist vorzeitig zurückzurufen.

Ein Arbeitnehmer kann seine Arbeitstätigkeit im Ausland verweigern oder abbrechen, wenn er nicht hinreichend geschützt ist, 273 BGB.

4. Fürsorgepflichten des Arbeitgebers bei Entsendung
Die Intensität der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist abhängig von der Dauer, Art und Weise der Auslandstätigkeit. Sie ist umfangreicher in Regionen die politisch und kulturell-religiös geprägt sind und in nachweislichen Krisenregionen. Insbesondere in Krisenregionen ist ein umfangreiches Sicherheitsmanagement und eine Risikoanalyse erforderlich, um einer etwaigen Haftung zu entgehen.
Vor der Entsendung ist dem Arbeitnehmer, bei einem Auslandsaufenthalt von länger als einem Monat, nach § 2 NachwG ein Nachweis über die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich auszuhändigen. In der Praxis wird dies oft durch eine vertragliche Vereinbarung ersetzt, welche die Details regelt.

III. Sozialversicherungsrechtliche Aspekte


Nach deutschem Recht gilt der Grundsatz des Arbeitsortsprinzips, d.h. der Arbeitnehmer unterliegt der Sozialversicherungspflicht des Staates, in dem er seine Tätigkeit tatsächlich ausübt. Im Falle einer vorübergehenden Entsendung kann das deutsche Sozialversicherungsrecht eine sog. Ausstrahlungswirkung entfalten. Das bedeutet, der entsandte Mitarbeiter bleibt in diesem Fall weiterhin in Deutschland sozialversichert. Eine Ausstrahlungswirkung scheidet jedoch aus, wenn ein Arbeitsverhältnis mit einer ausländischen Tochtergesellschaft begründet wird oder eine dauerhafte Auslandstätigkeit vorliegt. Um die soziale Absicherung seines Arbeitnehmers zu gewährleisten sowie um Nachzahlungspflichten im Falle einer Fehlbeurteilung der Rechtslage zu vermeiden, muss der Arbeitgeber daher bereits im Vorfeld prüfen, welches Sozialversicherungsrecht maßgeblich ist.

1. Entsendung innerhalb der EU, in die Schweiz und in die EWR-Staaten

Die Sozialversicherungspflicht bei Entsendungen in Mitgliedsstaaten der EU, in EWR-Staaten oder in die Schweiz wird durch die Verordnung 1408/71 (EWG) Nr. 1408/71 geregelt. Entsprechend entfaltet das deutsche Sozialversicherungsrecht Ausstrahlungswirkung, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Beschäftigung vom in Deutschland ansässigen Unternehmen entsendet wird. Hierfür wird als ausreichend erachtet, wenn mit dem Unternehmen weiterhin ein Arbeitsvertrag besteht oder ruht und der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers gegen das entsendende Unternehmen gerichtet ist. Letzte Voraussetzung ist, dass die Entsendung von vornherein auf einen Zeitraum von nicht mehr als 24 Monaten bei Entsendungen in Staaten der EU bzw. nicht mehr als zwölf Monate bei Entsendungen in Staaten des EWR oder in die Schweiz begrenzt ist. Für Entsendungen in die zuletzt genannten Staaten ist eine Verlängerung um maximal weitere zwölf Monate möglich.

2. Entsendung in Drittstaaten

Mit einigen Ländern hat Deutschland sogenannte bilaterale Sozialversicherungsabkommen geschlossen, wonach entsendete Arbeitnehmer nicht der ausländischen, sondern weiterhin nur der inländischen Sozialversicherung unterliegen.
Zu beachten ist aber, dass diese Sozialversicherungsabkommen nicht immer alle Zweige der Sozialversicherung umfassen, sondern häufig nur die Renten- oder Krankenversicherung. Sofern ein Zweig nicht erfasst ist, gelten die jeweiligen nationalen Regelungen.

Bei Entsendungen in einen Staat mit dem kein Sozialversicherungsabkommen geschlossen wurde, beurteilt sich die Frage, inwieweit Sozialversicherungspflicht für den entsendeten Mitarbeiter besteht, nach den nationalen Regelungen. Liegen die o.g. Voraussetzungen einer Entsendung vor, entfaltet das deutsche Sozialversicherungsrecht Ausstrahlungswirkung und der Arbeitnehmer bleibt im Inland sozialversicherungspflichtig.

3. Sonderfall: Vereinigtes Königreich

Seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und dem Ablauf der Übergangsfrist, die bis zum 31.12.2020 galt, wird hinsichtlich sozialversicherungsrechtlicher Fragen zwischen Bestandsfällen und Neufällen differenziert.

  1. Bestandsfälle
Bei Bestandsfällen bleiben die bisherigen Regelungen uneingeschränkt anwendbar. Dies sind solche, bei denen die Entsendung von Arbeitnehmern bereits vor dem 01.01.2021 begonnen hat und unverändert fortbesteht. Auch zählen hierzu Fälle, in denen eine Entsendung unverändert verlängert wird.
Die Entsendung kann über eine A1-Bescheinigung nachgewiesen werden, die jedoch nur für maximal 24 Monate (also maximal bis zum 31.12.2022) ausgestellt werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die entsendete Person den deutschen Rechtsvorschriften unterliegt, im Vereinigten Königreich arbeitet und die Entsendung nicht unterbrochen wird.
 
  1. Entsendungen ab dem 01. Januar 2021
Bei Neufällen, also Entsendungen von Arbeitnehmern, die erst ab dem 01.01.2021 oder später beginnen, gilt das zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich abgeschlossene Handels- und Kooperationsabkommen. Danach sind unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin die bisherigen Vorschriften zur sozialen Sicherheit anwendbar. Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Entsendung durch einen Arbeitgeber erfolgt, der eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Entsendestaat ausübt, die Entsendung voraussichtlich 24 Monate nicht überschreitet und keine zuvor entsandte Person abgelöst wird.
Zum Nachweis der Entsendung besteht vorerst die Möglichkeit, A1-Bescheinigungen zu nutzen. Neue Vordrucke sind aber bereits geplant.

4. Wer stellt fest, ob es sich um eine Entsendung handelt?

Bei einer Entsendung innerhalb der EU, in die Schweiz oder in die EWR-Staaten müssen der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer die sog. A1-Bescheinigung beantragen. Diese bestätigt, dass die deutschen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften weiterhin gelten und ist zu den Lohnunterlagen des Arbeitnehmers zu nehmen.

Im Fall von Arbeitnehmereinsätzen in Drittstaaten ist ein Antrag auf Feststellung einer Entsendung im Sinne der Ausstrahlung nach § 4 SGB IV zu stellen.

Die Anträge müssen bei der jeweiligen Krankenkasse des gesetzlich versicherten oder bei dem Rentenversicherungsträger des privat versicherten Arbeitnehmers eingereicht werden.
In folgenden Ausnahmefällen ist die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) für die Feststellung, ob eine Entsendung vorliegt, zuständig:
  • Der Arbeitnehmer übt seine Beschäftigung gewöhnlich in mehreren Mitgliedsstaaten aus.
  • Der Arbeitnehmer ist im internationalen Verkehrswesen tätig.
  • Die maximal zulässige Entsendedauer wird überschritten.

5. Sozialversicherungspflicht auf Antrag

Unterliegt ein entsendeter Arbeitnehmer nach den o.g. Voraussetzungen nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht, gibt es dennoch unter Umständen die Möglichkeit, den Sozialversicherungsschutz in Deutschland weiterhin aufrecht zu erhalten.
  • Rentenversicherung
Bei einem zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalt kann der Arbeitgeber eine Pflichtversicherung für seinen Arbeitnehmer beantragen. Besteht keine zeitliche Begrenzung ist nur eine freiwillige Versicherung möglich, bei der die Beitragshöhe individuell festgelegt wird. Ausführliche Informationen zur Rentenversicherung:
  • Krankenversicherung
Der Arbeitnehmer kann weiterhin auf Antrag freiwillig in der Krankenversicherung versichert bleiben. Ansprechpartner ist die jeweilige Krankenkasse des Arbeitnehmers.
  • Pflegeversicherung
Ein Antrag auf freiwillige Weiterversicherung ist innerhalb eines Monats nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht zu stellen.
  • Unfall-/Arbeitslosenversicherung
Es besteht in beiden Fällen keine Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung. Über manche Berufsgenossenschaften können aber sog. Auslandsunfallversicherungen abgeschlossen werden.
Der bisherige Arbeitgeber ist verpflichtet den zu entsendenden Arbeitnehmer umfangreich zu beraten. Eine Pflicht des Arbeitgebers bei dem Abschluss einer Unfall-Versicherung mitzuwirken besteht hingegen nicht.

IV. Weiterführende Informationen