Scheinselbstständigkeit


A. Scheinselbstständigkeit
 

Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn jemand zwar nach der zu Grunde liegenden Vertragsgestaltung selbstständige Dienst- oder Werksleistungen für ein fremdes Unternehmen erbringt, tatsächlich aber nichtselbstständige Arbeiten in einem Arbeitsverhältnis leistet. Dies hat zur Konsequenz, dass Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer zu zahlen sind.

1. Erfassung Scheinselbstständiger

Nach früherer Rechtslage waren die Sozialversicherungsträger ermächtigt, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bei der Erfüllung von drei von fünf gesetzlich geregelten Merkmalen zu vermuten.
Mit Wegfall der Vermutungsregelung im Jahr 2003 wurde die Beweislast endgültig in die Hände der Einzugsstellen und Betriebsprüfer zurückgegeben. Konnten diese Stellen sich früher wegen mangelnder Mitwirkung kein genaues Bild über die zu beurteilende Tätigkeit machen, durften sie eine Beschäftigung vermuten, wenn in ihren Augen drei von fünf im Gesetz präzisierten Merkmalen vorlagen. Nun müssen die Prüfenden auch bei mangelnder Mitwirkung nachweisen, dass es sich wirklich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und nicht um Selbstständigkeit handelt.
Die seit dem Jahr 2003 geltende widerlegbare Vermutung, dass Existenzgründer als Selbstständige tätig sind, wurde im Jahr 2009 aus dem Gesetz gestrichen.

2. Anfrageverfahren zur Statusklärung

Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) ist zuständig für das Anfrageverfahren, durch das die Beteiligten eine Klärung der Statusfrage erreichen können. Der Antrag kann sowohl vom Auftragnehmer als auch vom Auftraggeber gestellt werden.
Seit dem 1. April 2022 gelten Neuregelungen im Hinblick auf das Statusfeststellungsverfahren. Durch die Änderungen sollen die Parteien schneller und einfacher Rechts- und Planungssicherheit erhalten. Die Neuregelungen im Detail:
  • Die Einführung einer Prognoseentscheidung ermöglicht die Feststellung des Er­werbsstatus schon vor Aufnahme der Tätigkeit und damit frühzeitiger als bisher.
  • Künftig wird nicht mehr die Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung, sondern nur noch der Erwerbsstatus festgestellt. So werden die Beteiligten und die Clearingstelle von bürokratischem Aufwand entlastet und das Verfahren wird vereinfacht und beschleunigt.
  • Es wird eine Gruppenfeststellung für gleiche Auftragsverhältnisse ermöglicht. Vor allem Auftraggeber gleicher Auftragsverhältnisse müssen nunmehr nicht mehr für alle Auftragnehmer separate Statusfeststellungsverfahren beantragen.
  • Zukünftig können auch Dreieckskonstellationen geprüft werden. Wenn ein Dritter beteiligt ist, kann damit in einem Verfahren geklärt werden, wer der Arbeitgeber ist.
  • Im Widerspruchsverfahren ist eine mündliche Anhörung möglich.
Widerspruch und Klage gegen diese Entscheidung haben aufschiebende Wirkung.
 
Kontaktdaten der Clearingstelle:
Deutsche Rentenversicherung Bund
Clearingstelle für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen
10704 Berlin
Service-Telefon: 0800 10004800
Das benötigte Antragsformular (V027) sowie Erläuterungen zum Antrag (V028) können auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung abgerufen werden.

Weitere Informationen zum Verfahren: Merkblatt der DRV Bund
 

3. Merkmale der Selbstständigkeit

Zum 1.4.2017 wird die durch das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze (BT-Drs. 18/9232) am 21.10.2016 durch den Deutschen Bundestag beschlossene Änderung der Rechtslage in Kraft treten. Danach wird es in § 611a Abs. 1 BGB n.F. erstmals eine gesetzliche Definition des Arbeitnehmerbegriffes geben. Arbeitnehmer ist hiernach künftig, wer „auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist“.
Bei der Beurteilung des Status wird auf die Gesamtsituation des Einzelfalles abgestellt. Von Bedeutung ist dabei neben der vertraglichen Ausgestaltung vor allem die tatsächliche Handhabung. Zeigt letztere dass es sich um eine unselbstständige Tätigkeit handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag jedoch nicht mehr an.
Im Vordergrund dieser Betrachtung steht als Merkmal für eine selbstständige Tätigkeit der Grad der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und inwiefern ein unternehmerisches Risiko getragen, unternehmerische Chancen wahrgenommen und hierfür beispielsweise Eigenwerbung betrieben wird.
Typische Merkmale unternehmerischen Handelns sind die Erbringung von Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung sowie die eigenständige Entscheidung über
  • Einkaufs- und Verkaufspreise, Warenbezug
  • Personelle Fragen (Einstellung, Entlassung)
  • Einkaufs- und Verkaufskonditionen
  • Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte
  • Freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit
  • Einsatz von Kapital und eigener Arbeitsgeräte
  • eigene Kundenakquisition
  • Werbemaßnahmen und Auftreten als Selbstständiger in der Geschäftswelt (Eigene Briefköpfe, Zeitungsannoncen)

4. Anhaltspunkte für Scheinselbstständigkeit

Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist, ob sich eine persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber feststellen lässt.
Merkmale der persönlichen Abhängigkeit sind insbesondere die Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines Arbeitgebers sowie die Bindung an dessen Weisungen.
Anhaltspunkte für eine Scheinselbstständigkeit sind folgende Merkmale:
Ein fester Tätigkeitsort und feste Arbeitszeiten in den Räumen des Auftraggebers. Feste vom Auftraggeber vorgegebene Urlaubsregelungen. Genehmigungspflichten für Nebentätigkeiten für andere Auftraggeber. Das Unternehmen besitzt kein Firmenschild oder keine eigenen Geschäftsräume. Es hat kein eigenes Briefpapier oder eigene Visitenkarten. Oder der Unternehmer tritt beispielsweise in der Arbeitskleidung des Auftraggebers auf
Der oben beschriebene Vermutungskatalog ist zwar mit Neufassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im Jahr 2003 entfallen, damit aber im Rahmen der Beurteilung der Scheinselbstständigkeit nicht bedeutungslos geworden. Bei der Beurteilung der Gesamtsituation spielen daher Gesichtspunkte wie
  • keine regelmäßig Beschäftigten.  Als Regelmäßig Beschäftigte gelten solche Arbeitnehmer, deren monatliches Einkommen 450,- € übersteigt. Familienangehörige können gegenüber der früheren Regelung anerkannt werden.
  • Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber
    Bei der Auslegung des Begriffs „im Wesentlichen“ gehen die Sozialversicherungsträger von einem Anteil von fünf Sechsteln des Umsatzes mit einem Auftraggeber aus. Es genügt nicht, vertraglich die Zulässigkeit weiterer Auftragsverhältnisse festzustellen, sondern die Auftraggeber müssen tatsächlich nachgewiesen werden.
  • Auftraggeber hat Beschäftigte, die dieselben Tätigkeiten verrichten wie der Selbstständige
  • Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers - kein unternehmerisches Handeln
  • Selbstständiger hat Tätigkeit beim Auftraggeber zuvor als dessen Arbeitnehmer verrichtet

weiterhin eine Rolle.
Hinweis:
Der Umstand, dass ein Unternehmer auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist, führt nicht automatisch zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung, sondern stellt lediglich ein Indiz für das Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit dar. Maßgeblich ist die Gesamtsituation. Selbstständige mit nur einem Auftraggeber können aber rentenversicherungspflichtig sein (siehe B. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige).

5. Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung / Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

Ähnliche Fragen stellen sich, wo ein Auftraggeber und ein Auftragnehmer formell einen Dienst- oder Werkvertrag schließen, der durch Arbeitnehmer des Auftragnehmers erfüllt werden soll, tatsächlich aber eine erlaubnispflichtige Überlassung der Arbeitnehmer des Auftragnehmers an den Auftraggeber erfolgt.
Die im Oktober 2016 durch den Deutschen Bundestag beschlossene Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes soll den Missbrauch von Werkverträgen zur Umgehung der strengen Arbeitnehmerüberlassungsvorschriften bekämpfen, indem die Umgehungsmöglichkeiten für Auftraggeber und-nehmer beschränkt und die Abwehrrechte der Arbeitnehmer gestärkt werden:
Nach bisheriger Rechtslage konnte der Auftragnehmer durch eine auf Vorrat gehaltene Verleihererlaubnis die negative Rechtsfolge der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses vermeiden.
Mit der Neufassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zum 1.4.2017 wird diese Möglichkeit entfallen. Künftig muss jede Überlassung von Arbeitnehmern im Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer als solche bezeichnet werden (Kennzeichnungspflicht). Daneben muss der jeweilige Leiharbeitnehmer als solcher benannt werden (Konkretisierungspflicht). Schließlich muss der Auftragnehmer den Arbeitnehmer über die Tatsache, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird, informieren. Ein Verstoß gegen diese Pflichten führt dazu, dass zwischen Auftraggeber und Leiharbeitnehmer fingiert wird. Dies kann nur durch eine an strenge Voraussetzungen geknüpfte Festhaltenserklärung des Arbeitnehmers abgewendet werden, die nur wirksam ist, wenn sie (1) der Arbeitgeber vor ihrer Abgabe der Agentur für Arbeit vorlegt, (2) die Agentur für Arbeit die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt hat, und (3) die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Auftraggeber oder -nehmer zugeht.
Für die Abgrenzung ist auch hier maßgeblich, ob der Leiharbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist und seinen Weisungen unterliegt. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung im Vertrag, sondern auf dessen tatsächliche Durchführung an. Es Bedarf auch hier einer Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände. Als Anhaltspunkte können hierbei die oben genannten Kriterien dienen.

6. Beginn der Sozialversicherungspflicht

Grundsätzlich tritt bei Feststellung der Scheinselbstständigkeit die Sozialversicherungspflicht mit Aufnahme der Tätigkeit ein. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die ausstehenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung rückwirkend bis zu vier Jahre nachzuzahlen.
Ausnahme:
Wird der Antrag auf Statusfeststellung innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis fest, tritt die Sozialversicherungspflicht zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine unanfechtbare Entscheidung vorliegt (Widerspruch und Klage haben aufschiebende Wirkung). Voraussetzung hierfür ist,
dass der Beschäftigte zustimmt und
er für den Zeitraum zwischen Beginn der Tätigkeit und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.

7. Risiken und Konsequenzen

Gerade für den Auftraggeber bestehen im Falle  einer Scheinselbständigkeit finanzielle und rechtliche Risiken, so dass es gegebenenfalls empfehlenswert ist, rechtlichen Rat einzuholen und im Vorfeld das Statusfeststellungsverfahren zu beantragen.
Wird im Nachhinein tatsächlich die Scheinselbständigkeit festgestellt, kann der Betroffene unter Umständen seinen Arbeitnehmerstatus vor Gericht einklagen. Wird dieser ihm vom Arbeitsgericht zuerkannt, hat er damit auch alle arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten eines abhängig Beschäftigten gegenüber dem Auftraggeber. Er kann dann etwa rückständiges Arbeitsentgelt, Urlaub, Kündigungsschutz oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen. 
Im Fall der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung sind die Folgen noch gravierender. Verstoßen Auftraggeber und Auftragnehmer gegen die Kennzeichnungs- oder Konkretisierungspflicht, ist u.a. der Leiharbeitsvertrag zwischen Auftragnehmer und Leiharbeitnehmer unwirksam. Stattdessen entsteht ein fingiertes Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Auftraggeber. Beide Folgen kann der Leiharbeitnehmer mittels einer Festhaltenserklärung verhindern. Dann bleibt der Leiharbeitsvertrag wirksam und es wird kein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Auftraggeber fingiert.
Dem Leiharbeitnehmer stehen Auskunfts- und Informationsansprüche, sowie ein Anspruch auf Zugang zu betrieblichen Sozialeinrichtungen zu. Daneben hat der Auftraggeber einen etwa bestehenden Betriebsrat auf dessen Verlangen insbesondere über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben von Fremdpersonal zu unterrichten. In diesem Zusammenhang ist der Betriebsrat ferner berechtigt, die Arbeitsverträge solcher Personen einzusehen.
Wie dargestellt kann der Auftraggeber außerdem für bis zu vier Jahre rückwirkend im Außenverhältnis als Alleinschuldner des Gesamtsozialverischerungsbeitrages herangezogen werden. Betreffend der Höhe ist eine Berufung gegenüber dem Sozialversicherungsträger, dass im Vertrauen auf die "Selbständigkeit" ein höheres Entgelt gezahlt wurde, welches den ansonsten an die Sozialversicherung abzuführenden Arbeitgeberanteil mit umfasst, nicht möglich. In engen Grenzen kann der Auftraggeber gegenüber dem Scheinselbständigen den von ihm zu tragenden Arbeitnehmeranteil zurückfordern. Dies kann jedoch nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt von den folgenden drei Gehaltszahlungen erfolgen.
Die Veränderung der Verhältnisse kann auch steuerrechtliche Konsequenzen haben. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer haben dann die neue Situation gegebenenfalls steuerrechtlich nachzuvollziehen und haften für die Nachzahlungen als Gesamtschuldner, sie können also beide zur Zahlung der Außenstände in voller Höhe aufgefordert werden.
Da dies Einzelfallbetrachtungen sind, empfiehlt es sich, einen Steuerberater hinzuzuziehen und sich mit dem zuständigen Finanzamt abzustimmen. Es ist zu beachten, dass die Finanzämter eine eigene Prüfung vornehmen. Die Finanzämter sind nicht an die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung gebunden. Demnach besteht die Gefahr, dass die Finanzämter im Rahmen der Einzelfallbetrachtung zu einem anderen Ergebnis kommen. Es besteht jedoch nach § 42 e EStG die Möglichkeit ein Anrufungsauskunftverfahren durchzuführen. Danach hat das Finanzamt auf Anfrage Auskunft über die steuerrechtliche Bewertung zu erteilen. "Scheinselbstständige" müssen beachten, dass sie als Arbeitnehmer den lohn-/einkommensteuerrechtlichen Regelungen unterliegen und durch diese Tätigkeit fortan keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb mehr erzielen. Darüber hinaus schuldet der vermeintliche Auftragnehmer gegebenenfalls die auf seinen bisherigen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 Umsatzsteuergesetz, während ein Vorsteuerabzug für den Auftraggeber (der in diesem Fall wie ein Arbeitgeber zu behandeln ist) nicht in Betracht kommen würde. Die Berichtigung der Rechnung ist möglich, soweit der Aussteller der Rechnung den unberechtigten Steuerausweis gegenüber dem Empfänger für ungültig erklärt und die Gefährdung beseitigt wurde. Eine derartige Beseitigung liegt vor, wenn der Vorsteuerabzug nicht durchgeführt wurde oder die geltend gemachte Vorsteuer an das Finanzamt zurückgezahlt wurde.
 
Bei Vorsatz seitens des Auftraggebers setzt sich dieser sogar dem Straftatbestand des § 266 a StGB aus, so dass eine Freiheitsstrafe oder eine Geldbuße drohen.

Auf Seiten des Auftragnehmers endet mit Feststellung der Scheinselbstständigkeit die unternehmerische Tätigkeit. Dies bedeutet, dass das Gewerbe beim zuständigen Gewerbeamt abzumelden ist. Auch die gesetzliche Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer endet zu diesem Zeitpunkt.

B. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige


Kann nach den zuvor gemachten Ausführungen von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden, so ist als nächstes zu klären, ob es sich um einen arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen handelt. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige sind zwar „echte“ Selbstständige, also gerade nicht scheinselbstständig, sie unterliegen aber der Rentenversicherungspflicht.
Arbeitnehmerähnlich ist, wer regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist (§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI).
 
Werden mindestens 5/6 des Umsatzes über einen Auftraggeber generiert, so ist der Selbstständige im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig. Zur Beurteilung ist eine wertende Betrachtung der Einkünfte des Vorjahres sowie für die Zukunft erforderlich. Gleiches gilt, wenn eine vertragliche Ausschließlichkeitsvereinbarung vorliegt.

Von einer Dauerhaftigkeit der Tätigkeit ist auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolgt. Bei einer im Voraus begrenzten und nur vorübergehenden Tätigkeit für einen Auftraggeber (projektbezogene Tätigkeit) wird grundsätzlich keine Dauerhaftigkeit dieser Tätigkeit für nur einen Auftraggeber vorliegen, wenn die Begrenzung innerhalb eines Jahres liegt.
Folgende Indizien können zur Beurteilung der Frage, ob eine dauerhafte Tätigkeit im Wesentlichen für einen Arbeitgeber vorliegt, herangezogen werden:
  • Vorliegen eines Dauerauftrags
  • Gestaltung des Dauerauftrags (z.B. Ausschließlichkeitsvereinbarung)
  • Umfang der Einnahmen aus der Tätigkeit im Rahmen des Auftrags
  • Angaben des Auftraggebers oder des selbstständig Tätigen
  • Art der Waren bzw. Dienstleistungen dient ausschließlich den Interessen des Auftraggebers
  • Äußeres Auftreten z.B. in Dienstkleidung
 
Um einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer handelt es sich, wenn dessen regelmäßiges Arbeitsentgelt monatlich mehr als 450,- Euro beträgt. Die Rentenversicherungspflicht entfällt aber auch dann, wenn mehrere Arbeitnehmer geringfügig beschäftigt werden und die Summe aller Arbeitsentgelte monatlich über 450,- Euro liegt. Auch Auszubildende gelten als Arbeitnehmer. Übergangsregelungen bestehen für Arbeitnehmer die vor dem 31.12.2012 nicht versicherungspflichtig waren und deren regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt 400,- Euro übersteigt.
Beschäftigt der Selbstständige für kurze Zeit keinen Arbeitnehmer, z.B. weil dieser gekündigt hat und erst noch eine Ersatzkraft gefunden werden muss, entsteht keine Versicherungspflicht. Der Zeitraum, in dem kein Arbeitnehmer beschäftigt wird, darf allerdings insgesamt maximal 2 Monate im Jahr betragen.
Arbeitnehmerähnliche Selbstständige haben sich innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu melden.
Die Beiträge zur Rentenversicherung müssen Selbstständige in voller Höhe selbst zahlen.
Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist in folgenden Fällen auf Antrag möglich:
Selbstständige können für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit (Existenzgründung) von der Versicherungspflicht befreit werden. Die Befreiung kann auch bei Aufnahme einer zweiten selbstständigen Tätigkeit, die ebenfalls den Merkmalen des arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen entspricht, erneut in Anspruch genommen werden. Der 3-Jahres-Zeitraum nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit darf noch nicht überschritten sein. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an.
 
Der Antragsteller hat das 58. Lebensjahr vollendet: Er wird vollständig von der Rentenversicherungspflicht befreit, wenn er bereits selbstständig war und die Versicherungspflicht erstmalig aufgrund der Neuregelung zur rentenversicherungspflichtigen Selbstständigkeit eingetreten ist. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an.
Ferner können Personen dauerhaft von der Versicherungspflicht befreit werden, die am 31. Dezember 1998 eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben, in der sie nicht versicherungspflichtig waren, und danach wegen der Regelung über arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit versicherungspflichtig werden:
Danach können selbstständig Tätige, soweit sie vor dem 2. Januar 1949 geboren sind, von der Versicherungspflicht befreit werden, ohne dass sie weitere Voraussetzungen erfüllen müssen.
 
Jüngere Selbstständige können nur dann befreit werden, wenn sie bereits vor dem 10. Dezember 1998 eine Alterssicherung im Rahmen einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung oder auf Grundlage einer vergleichbaren Form der Vorsorge entsprechend den Forderungen des § 231 Abs. 5 SGB VI aufgebaut haben. Eine Befreiungsmöglichkeit besteht auch bei Zusage auf eine betriebliche Altersvorsorge, durch die die leistungsbezogenen und aufwandsbezogenen Voraussetzungen, die an einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag zu stellen sind, erfüllt werden. Die Befreiung ist innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht zu beantragen. Die Befreiung wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.
 
Das benötigte Antragsformular (V050) sowie Erläuterungen zum Antrag (V051) können auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung abgerufen werden.


Sonderfall des geschäftsführenden Gesellschafters:
Auch selbstständig tätige geschäftsführende Gesellschafter einer juristischen Person können nach der oben beschriebenen Regelung rentenversicherungspflichtige Selbstständige sein. Für die Beurteilung der Versicherungspflicht kommt es darauf an, ob die Gesellschaft (und nicht der Gesellschafter) im Wesentlichen nur einen Auftraggeber hat und ob die Gesellschaft sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt. Nachdem das Bundessozialgericht dies zur früheren Gesetzeslage anders entschieden hatte, ist eine entsprechende Klarstellung im Gesetz erfolgt.

C. Sonderregelungen für Handelsvertreter
 

Mit dem Wegfall der Vermutungskriterien ist auch die Ausnahmeregelung für Handelsvertreter hinfällig geworden.
Entscheidend für die Frage der Selbstständigkeit ist nun auch bei den Handelsvertretern, ob diese ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei einteilen und über ihre Arbeitszeit bestimmen können.
Somit können Handelsvertreter grundsätzlich auch scheinselbstständig sein. Indizien dafür sind beispielsweise Umsatzvorgaben, eng angelegte Kontrollen des Auftraggebers, Pflichtanwesenheiten, vorgegebene Termine bei Kunden, Tourenpläne, Urlaubsabstimmungen mit dem Auftraggeber sowie das Verbot Angestellte einzustellen.
Sofern der Handelsvertreter seine Arbeitszeit und Tätigkeit aber frei einteilen kann, kann er dennoch den rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern gleichgestellt sein, wenn er regelmäßig keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, deren Entgelt 450,- € im Monat übersteigt und wenn er im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig ist (siehe B. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige).
Wenn von der Rentenversicherungspflicht auszugehen ist, sind die Befreiungsmöglichkeiten zu prüfen. Hierzu wird auf die Ausführungen oben verwiesen.
Weitere Informationen zur Versicherungsrechtlichen Beurteilung von Handelsvertretern finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung.


Hinweis:
Die Abgrenzung zwischen Selbstständigen, rentenversicherungspflichtigen Selbstständigen und Scheinselbstständigen bleibt schwierig. Viele Einzelfälle und strittige Punkte werden weiterhin von der Rechtsprechung anhand der bisherigen Kriterien zu klären sein. Dabei kann das Ergebnis der arbeitsrechtlichen Prüfung die Auftragnehmerstellung sein, während die sozialversicherungsrechtliche Prüfung den Arbeitnehmerstatus zuspricht.
Insbesondere Existenzgründer sollten sich innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit an die Deutsche Rentenversicherung Bund wenden und schriftlich einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht stellen. Bei Unklarheiten bzgl. der Selbstständigkeit sollte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit ein Antrag auf Feststellung gestellt werden.

Ein Katalog bestimmter Berufsgruppen zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kann auf Seiten der Deutschen Rentenversicherung abgerufen werden.

Weitere Informationen: