Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz

Grundsätzlich besteht im deutschen Recht Nachahmungsfreiheit, d.h. Waren und Dienstleistungen dürfen von Mitbewerbern nachgeahmt werden, wenn sie nicht durch sondergesetzliche Regelungen, wie das Patent- und Gebrauchsmusterrecht, das Geschmacksmuster- und Markenrecht oder das Urheberrecht geschützt sind. Daneben wird die Nachahmungsfreiheit für einige Fälle jedoch auch durch den sogenannten ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz eingeschränkt. Dieser wurde ursprünglich von der Rechtsprechung entwickelt und ist inzwischen auch gesetzlich geregelt (§ 4 Nr. 3 UWG).

Der Schutz des § 4 Nr. 3 UWG

1. Anwendungsbereich im Einzelnen
Geschützt vor Nachahmung sind unter der Norm nur Waren und Dienstleistung mit wettbewerblicher Eigenart. Nicht geschützt sind jedoch abstrakte Ideen (z. B. Werbeideen, Verkaufsideen, Motivwahlen), die in der konkreten Formgestaltung des Produkts keinen Niederschlag gefunden haben.
Unter dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal “wettbewerblicher Eigenart” versteht die Rechtsprechung Erzeugnisse, deren „konkrete Ausgestaltung oder bestimmten Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen“ (BGH, Urt. v. 16.11.2017 – I ZR 91/16). Nicht erforderlich ist, dass der Verkehr den Hersteller namentlich kennt, er muss das Produkt jedoch einer bestimmten Herkunft zuordnen. Verkürzt gesagt sind keine „gewöhnlichen“ Produkte, sondern nur solche mit einem gewissen Wiedererkennungswert geschützt. 
Nachahmungen der geschützten Produkte stellen nicht nur identische oder fast identische, sondern auch „nachschaffende Übernahmen“ dar. Eine nachschaffende Übernahme liegt vor, wenn ein bestehendes Erzeugnis als Vorbild für ein anderes Produkt verwendet worden ist und sich dieses Produkt mehr oder minder an das Vorbild anlehnt.
Nicht jede Nachahmung ist erfasst, sondern nur solche, die
  • eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführen
    Eine Täuschung kann auch dann gegeben sein, wenn sie noch vor dem Kauf aufgrund einer näheren Befassung mit dem Angebot entfällt. Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn das Nachahmungsprodukt nur Assoziationen an das Original hervorruft. Gegen eine Herkunftstäuschung spricht auch, wenn die angesprochenen Verkehrskreise Original und Nachahmung kennen. Auch kann ein unterschiedlicher Vertriebsweg einer Herkunftstäuschung entgegenstehen
  • die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzen oder beeinträchtigen
    Eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung liegt vor, wenn der „gute Ruf“ eines Produkts in der Weise ausgenutzt wird, dass es aufgrund der Nachahmung des Produkts zu einer Übertragung der Wertschätzung des Originalprodukts auf das nachgeahmte Produkt kommt (sog. unlautere Rufausbeutung). Eine unlautere Beeinträchtigung entsteht demgegenüber dann, wenn eine Beeinträchtigung dadurch erfolgt, dass z. B. bei exklusiven Produkten ein massenhafter Vertrieb der Nachahmung erfolgt oder bei Qualitätsprodukten eine qualitativ minderwertige Nachahmung vertrieben wird
  • oder bei denen der Mitbewerber die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat
    Eine unredliche Erlangung liegt insbesondere vor, wenn ein Straftatbestand erfüllt ist, aber auch dann, wenn ein (nicht strafbarer) Vertrauensbruch erfolgt, etwa wenn Unterlagen des Verletzten, die Gegenstand von Vertragsverhandlungen waren, nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen von dem Mitbewerber für eigene Zwecke verwendet werden.

Die handelnde Person muss ein Mitbewerber des Erbringers des „ursprünglichen“ Produkts sein, die zu ihm in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Dies setzt voraus, dass man denselben Kundenkreis anspricht und auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt tätig ist, wobei dieses Merkmal auch nicht zu eng verstanden werden darf.
Die genannten Tatbestandsmerkmale sind schließlich zusammen zu betrachten, da zwischen ihnen eine Wechselwirkung besteht. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme ist, desto geringer sind die Anforderungen an die besonderen Umstände, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen.

Rechtsfolgen eines Verstoßes

Liegen die genannten Merkmale vor, handelt der Mitbewerber unlauter im wirtschaftlichen Wettbewerb.
Derjenige, der das „ursprüngliche“ Produkt erschaffen hat, hat dann nach § 8 UWG einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gegen seinen unlauter handelnden Mitbewerber. Er kann verlangen, dass die Nachahmungen nicht mehr angeboten und vom Markt genommen werden.
Nach § 9 UWG kann außerdem Schadensersatz verlangt werden, wenn der Mitbewerber den Verstoß schuldhaft begangen hat. Für die Berechnung des Schadens gilt dabei die sog. dreifache Schadensberechnung, d.h. der Verletzte kann als Schadensersatz wahlweise die Herausgabe des Verletzergewinns, den Ersatz des eigenen entgangenen Gewinns oder die Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr verlangen.
Zudem besteht grundsätzlich ein Auskunftsanspruch gegen den Mitwerber, z.B. in Bezug auf die Benennung von Lieferanten und gewerblichen Abnehmern.

Tipp

Unternehmen, die Kenntnis davon erlangen, dass eines ihrer Produkte von einem Mitbewerber „kopiert“ wird, das jedoch nicht sondergesetzlich durch ein Patent o.Ä. geschützt ist, sollten prüfen, ob es sich um eine Fallgruppe des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes handelt und Ansprüche gegen den Mitbewerber bestehen könnten. Auf der anderen Seite sollten Unternehmen, die ein Produkt auf den Markt bringen wollen, das auf einem Konkurrenzprodukt beruht, schon bei der Produktentwicklung darauf achten, dass sie keinen Verstoß gegen § 4 Nr. 3 UWG begehen.