Grüneburgweg: Unternehmen leiden nach Straßenumbau unter Umsatzeinbrüchen


2. Oktober 2025
Seit dem Umbau zur „fahrradfreundlichen Nebenstraße“ haben viele Einzelhändler und Gastronomen im Grüneburgweg mit zum Teil existenzgefährdenden Umsatzrückgängen zu kämpfen. Während Stammkunden zunehmend wegbleiben, kommen die vom Mobilitätsdezernat prognostizierten Neukunden nicht nach. Entsprechend schlecht ist die Stimmung unter den Gewerbetreibenden. Wirtschaftsvertreter fordern daher ein schnelles Umsteuern.
In einer umfassenden Unternehmensbefragung im Frühjahr 2025 hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung Frankfurt systematisch die Auswirkungen der Umgestaltung des Grüneburgwegs zur „fahrradfreundlichen Nebenstraße“ auf die ansässigen Unternehmen ermittelt. Wie bereits im Rahmen einer ähnlichen Befragung im Oeder Weg wurden in den Erdgeschossen ansässige Unternehmer in persönlichen Gesprächen befragt, da diese deutlich stärker auf Kundenbesuche ausgelegt sind als Unternehmen in den Obergeschossen und ihre Ladenlokale zudem das Straßenbild prägen.
In die Umfrage gingen die Antworten von insgesamt 44 Unternehmen ein, darunter 17 Einzelhändler und 15 Gastronomen. Die befragten Unternehmen, die grundsätzlich dem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur in Frankfurt positiv gegenüberstehen, kämpfen seit der Umgestaltung mit für sie teils gravierenden Umsatzeinbrüchen: insgesamt 22 Unternehmen aus allen Branchen haben mit sinkenden Umsätzen in unterschiedlicher Ausprägung zu kämpfen. Das Minus reicht von fünf bis 35 Prozent. Für zwei Drittel der betroffenen Unternehmen ist der Umsatzrückgang in der Umgestaltung des Straßenraums begründet. Nur drei Unternehmen verzeichnen einen steigenden Umsatz, von denen lediglich ein Gastronom dies positiv auf die Straßenumgestaltung zurückführte. Bei den übrigen befragten Unternehmen sind die Umsätze gleich geblieben.
Insgesamt 17 Unternehmen beobachten, dass sich seit dem Umbau mehr Menschen auf der Straße bewegten, während 19 das Passantenaufkommen als unverändert einschätzen. Lediglich vier Unternehmen haben den Eindruck, dass nun weniger Menschen unterwegs seien. Zugleich berichtet die Hälfte aller Unternehmen, dass weniger Kunden zu ihnen kommen und ihr Geschäft zudem seltener betreten werde, unabhängig von der jeweiligen Branche.
Für Susanne von Verschuer, Vizepräsidentin der IHK Frankfurt am Main, ist damit die Hypothese des Mobilitätsdezernats widerlegt. Dieses hatte vorhergesagt, dass nach dem Straßenumbau nun mehr Kunden und zudem häufiger in die Geschäfte kämen, weil sich die Erreichbarkeit per Fahrrad und die Aufenthaltsqualität verbessert hätten. Susanne von Verschuer stellt klar: „Mehr Menschen auf der Straße ist ganz offenbar nicht gleichbedeutend mit mehr Kundschaft. Zwar blieben die Umsätze pro Kunde größtenteils konstant, wenn jedoch insgesamt weniger Kunden und die verbleibenden Kunden zudem seltener kommen, gehen die Umsätze unweigerlich zurück - bis hin zur Existenzgefährdung. Daher verwundert es nicht, wenn mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen den Straßenumbau als schlecht oder sehr schlecht bewerten.“ Als Konsequenz aus den Umgestaltungsmaßnahmen planen sechs der befragten Unternehmen, die Geschäftstätigkeit gänzlich einzustellen oder den Standort Grüneburgweg zu verlassen.
Für Andreas Dresch, Inhaber der Weinhandlung WESTLAGE und Vorsitzenden der Interessengemeinschaft Grüneburgweg, hat sich die Lage in der Straße seit der Befragung weiter verschlechtert. „Mittlerweile sind kaum noch Menschen auf der Straße unterwegs, immer mehr Kunden bleiben weg. Als Grund bekommen die Gewerbetreibenden von ihren Kunden immer wieder gesagt, dass die schlechte Erreichbarkeit mit dem Pkw die entscheidende Rolle spielt. Davon, dass die fernbleibenden Kunden durch fahrradfahrende Neukunden nahtlos ersetzt oder gar überkompensiert würden, wie vom Mobilitätsdezernat immer wieder angekündigt, ist nicht zu spüren.“
Als Konsequenz aus den Befragungsergebnissen der IHK ruft Vizepräsidentin Susanne von Verschuer die Stadt zu einem schnellen Umsteuern im Grüneburgweg auf: „Unsere Befragung zeigt, dass die versprochenen Kundenströme ausbleiben und die Mehrzahl der Gewerbetreibenden massiv leiden. Der Beschluss zur Fahrradstadt Frankfurt sieht ausdrücklich die Option für einen Rückbau der Maßnahmen vor, wenn sie nachweislich nachteilige Auswirkungen haben. Daher sollte die Stadt Frankfurt die Sorgen und Nöte der Gewerbetreibenden nicht länger ignorieren, sondern endlich ernst nehmen und den Grüneburgweg so umbauen, dass Kunden wie auch Lieferanten die Unternehmen wieder besser erreichen können. Der Abbau der Diagonalsperren wäre ein erster Schritt, der schnell kommen sollte, eine alternative Routenführung für den Radweg ein weiterer. Völlig unverständlich für uns ist, dass auch weiterhin keine echte Beteiligung der betroffenen Unternehmen stattfindet. Diese wird zwar immer versprochen, aber bislang nicht umgesetzt.“
Stadträtin Stephanie Wüst, Dezernentin Wirtschaft, Recht und Stadtmarketing der Stadt Frankfurt am Main, sagt: „Die Ergebnisse der Befragung zeigen auf, dass viele Betriebe im Grüneburgweg unter Umsatzrückgängen leiden. Hinsichtlich der Besucherzahlen und Umsätze herrscht große Verunsicherung. Das nehme ich sehr ernst. Als Wirtschaftsdezernentin kritisiere ich, dass Entscheidungen der Stadt derart an den Betrieben vorbeigehen und zu Verunsicherung führen. Wirtschaft und Stadt sind keine Gegensätze. Wir werden die Erkenntnisse gemeinsam mit den beteiligten Ämtern sorgfältig prüfen und darauf drängen, dass kurzfristig Maßnahmen umgesetzt werden, die die Erreichbarkeit und Attraktivität der Straße für Kunden wieder verbessern. Wenn deutlich wird, dass bestimmte Elemente der Umgestaltung nachweislich negative Auswirkungen haben, darf auch ein Rückbau kein Tabu sein – die Unternehmen brauchen jetzt schnelle und spürbare Entlastung.“
Bernhard Grieb, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH, ergänzt: „Als Wirtschaftsförderung haben wir immer ein offenes Ohr für die Belange der ansässigen Unternehmen in den Stadtteilen. Anliegen und Herausforderungen seitens des Stadtteilgewerbes nehmen wir sehr ernst und unterstützen die Unternehmen vor Ort. Das Gewerbe und die Gastronomie sichern die Lebendigkeit unserer Stadtteile und deren Attraktivität. Dabei ist uns als Wirtschaftsförderung sehr bewusst, dass unsere Städte vor der großen Herausforderung der Verkehrswende stehen - ein langfristiger Prozess mit unterschiedlichsten Maßnahmen und Veränderungen, die zum Teil sehr kurzfristig umgesetzt wurden. Hier ist es bei künftigen Schritten wichtig, ausreichend früh und intensiv mit den betroffenen Betrieben zu sprechen, damit diese sich auf Änderungen vorbereiten und entsprechende Maßnahmen planen können."
Hintergrund:
Die offizielle Begleitforschung der Stadt Frankfurt am Main hat aus Sicht der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main nur ein unvollständiges Bild der Situation der Gewerbetreibenden im Grüneburgweg nach der Umgestaltung geliefert. An der Befragung nach der Straßenumgestaltung hatten lediglich 30 Unternehmen – nicht begrenzt auf die auf Kundenströme angewiesenen Unternehmen in den Erdgeschossen – teilgenommen, darunter nur fünf Einzelhändler und drei Gastronomen.