Politikbrief Freiraumsatzung 2023

Die Hitzeperioden der vergangenen Sommer haben die Bedeutung von städtischem Grün hinsichtlich ihrer klimatisch-ökologischen Ausgleichsfunktion vergegenwärtigt. Daher begrüßt die IHK grundsätzlich Maßnahmen, die zur Erreichung der Klimaschutzziele bei gleichzeitiger Steigerung der Aufenthaltsqualität und Attraktivität in Frankfurt beitragen. 
Die in der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorgelegte Gestaltungssatzung Freiraum und Klima (Freiraumsatzung) enthält einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, wodurch die Begrünung durch Auflagen hinsichtlich der Dach- und Fassadengestaltung sowohl bei baulichen Veränderungen im Bestand als auch bei Neubauvorhaben sichergestellt werden soll. Aus Sicht der Wirtschaft widerspricht die Satzung dem im Koalitionsvertrag verankerten Versprechen, bürokratische Prozesse, Planungs- und Genehmigungszeiten sowie Investitionshindernisse gezielt abzubauen, sondern bewirkt das Gegenteil. Mit dem Nachweis nach Einhaltung der Forderungen der Satzung steigt der Prüfumfang im Verfahren, was entweder die Einbindung eines weiteren Amtes oder spezielle Bewertungen bei der Bauaufsicht erfordert.
Darüber hinaus entstehen Planungs-, Investitions- und Unterhaltungskosten, die das Bauen verteuern und zu steigenden Kaufpreisen führen. Im Hinblick auf die Investitionskosten kalkuliert die Bau- und Immobilienwirtschaft aktuell mit rund 300 Euro pro Quadratmeter für die Fassaden- und zwischen 100 und 150 Euro pro Quadratmeter für die Dachbegrünung. Zusätzlich entstehen laufende Folgekosten für Instandhaltung, Bewässerung und Austausch von Begrünungen. Der zusätzliche Pflegeaufwand für Pflanzen führt zu weiter steigenden Nebenkosten, welche über die Betriebskostenumlage auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden können. Für eine Wohnung mit 100 Quadratmetern können infolge der neuen Freiraumsatzung Nebenkostensteigerungen um bis zu 500 Euro im Jahr anfallen. Die Satzung trifft daher nicht nur institutionelle Investoren, sondern insbesondere auch die privaten Marktakteure sowie Mieterinnen und Mieter. Die Preisspirale für Grundstücke und Wohnungen in Frankfurt wird dadurch weiter unnötig angeheizt. 
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob der klimatische Nutzen der Satzung diese Kosten rechtfertigt. Aufgrund der in den letzten Jahren längeren und häufigeren Trockenperioden sowie sinkender Grundwasserstände entwickelt sich die Wasserknappheit zu einem immer größeren Problem für die Stadt Frankfurt. Fraglich ist in dem Kontext, wie der zusätzliche Wasserbedarf für die zahlreichen Neuanpflanzungen auf Grundstücken und Dächern sowie eine kontinuierliche künstliche Fassadenbewässerung bei gleichzeitig trocken laufenden Zisternen sichergestellt werden kann.
Die IHK versteht und unterstützt die Notwendigkeit klimaanpassender Maßnahmen im Gebäudesektor. Dafür bedarf es jedoch ausreichender Beratungseinrichtungen, Fördermöglichkeiten sowie schlanker, unbürokratischer Prozesse für die betroffenen Akteure. Ganzheitliche Gebäude- und Quartierskonzepte sind aus Sicht der Wirtschaft ein besserer Ansatz als kleinteilige Regelungen. Anreizsysteme (zum Beispiel durch die Reduzierung von Kanalgebühren beim Bestand, Erhöhung von Ausnutzung als Bonus) könnten sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gesichtspunkten einen deutlicheren Mehrwert bieten als die vorliegende Freiraumsatzung.
Anmerkungen aus Sicht der Bau- und Immobilienwirtschaft zu einzelnen Paragraphen der Satzung:
Grundsätzlich ist anzumerken, dass strittige Anwendungen und Hürden bei der Umsetzung im Dialog mit der Wirtschaft evaluiert und überarbeitet werden sollten. Aus Sicht der Bau- und Immobilienwirtschaft sind in der vorliegenden Freiraumsatzung einige ungeklärte Fragestellungen, die bei der praktischen Umsetzung zu Problemen führen. Dies betrifft unter anderem die nachfolgend erläuterten Anwendungsprobleme bei den einzelnen Paragraphen:
§ 2 Räumlicher und sachlicher Geltungsbereich
(2) Aus der aktuellen Fassung der Satzung geht nicht hervor, wie reine Instand- und Unterhaltungsmaßnahmen gewertet werden.
(4) Die Regelung, dass die Ausführung von genehmigungsfreien Bauvorhaben den Bestandsschutz für den betroffenen Bereich aufhebt und eine Anwendung der Satzung notwendig macht, verhindert andere – ökologisch sinnvolle – Investitionen im Gebäudebereich. Wenn beispielsweise Vermieterinnen und Vermieter dem geänderten Mobilitätsverhalten der Mieterschaft Rechnung tragen und (überdachte) Fahrradstellplätze errichten wollen, führt dies zur Notwendigkeit der Umgestaltung des betroffenen Bereiches gemäß der Freiraumsatzung. Dadurch erhöhen sich die Investitionskosten, welche die Ausführung von Fahrradstellplätzen hemmen oder vermutlich ganz verhindern werden.  
§ 4 Gestaltung der Grundstücksfreiflächen
(2) Die Ausnahme von kleinen Grundstücksfreiflächen bis 50 Quadratmeter ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Allerdings sind auch diese Flächen von beispielsweise 7 x 7 m mit der Forderung nach einem mittel- oder großkronigen Baum überfordert. Die Anwendung scheint gerade in Einfamilien- und Reihenhausgebieten kaum umsetzbar zu sein. Unklar ist in dem Zusammenhang, ob und in welcher Höhe eine zweckgebundene finanzielle Ablösung bei ungeeigneten Grundstückszuschnitten anstelle einer Baumbepflanzung erforderlich ist.
§ 7 Gestaltung von Außenwänden/Fassaden
(1) Die Begrenzung der Bewuchshöhe auf 3 m ist im Vergleich zu den zunächst vorgesehenen 6 m positiv. Ebenso ist positiv, dass die Flächen von Fenstern und Türen von der zu begrünenden Fläche jetzt abgezogen werden. Die Berechnung der Flächenanteile der Fenster, welche beim 50 Prozent-Ansatz herauszurechnen sind, ist jedoch unklar. Wenn aufgrund nicht möglicher, ausreichender Ausführung in den unteren 3 m die Begrünung höher ausgeführt werden muss, sind in jedem Fall brandschutzrechtliche Fragestellungen zu klären. Bei WDVS-Systemen wird bei höheren Gebäuden alle zwei Geschosse ein Brandriegel aus nichtbrennbarem Material vorgesehen.
(1) Notwendig ist bei Hochhäusern die Ausführung einer Fassade aus nichtbrennbaren Materialien. Um die vorstehende Problematik mit brennbaren Pflanzenteilen zu umgehen, wird in der Regel für die Bepflanzung ein Pflegeplan gefordert, der Bestandteil der Genehmigung wird. Dieser fordert eine Anzahl an Pflegegängen pro Jahr und macht normalerweise eine Bewässerungsanlage notwendig. Automatische Bewässerungsanlagen sind, wenn sie auch Dünger zumischen, vom normalen Trinkwassernetz zu trennen und erfordern daher separate Leitungsführungen in Schächten und Flächen. Diese Eingriffe in die Planung sollten in einer Übergangsregelung bei der Einführung berücksichtigt werden, um der üblichen Dauer der Planungsprozesse gerecht zu werden.
Eine offene Frage innerhalb der Satzung ist, ob Rankkonstruktionen, die notwendig werden, um 50 Prozent der Fläche der Fassade zu begrünen, als untergeordnete Bauteile gelten oder nicht. Je nach System und Art der Pflanzung können hier Aufbauten von 70 cm erforderlich werden. Sofern sie nicht als untergeordnete Bauteile gelten, müssen sie innerhalb von Baulinien und Baugrenzen errichtet werden. Dadurch nimmt der tatsächlich überbaubare Grundstücksteil de facto ab. Hier muss eine klare Regelung herbeigeführt werden.
Daneben bedürfen Fassadenbegrünungen einer formaljuristischen Grundlage bei Wohneigentümergemeinschaften (WEG), da Gartenbereiche zumeist Erdgeschosswohnungen als Sondernutzungsrecht zugeteilt sind. Zur Pflege und Bewässerung der Fassadenbegrünung muss es somit zulässig sein, diese Gartenbereiche betreten zu dürfen – im Zweifel gegen den Willen des Sondernutzungsberechtigten. Für diese Fälle müssen Ausnahmeregelungen geschaffen werden, da rechtliche Hemmnisse aus dem WEG einer Auflage der Satzung entgegenstehen können.
(3) Positiv ist, dass energetische Sanierungen ausgenommen wurden. Unklar ist, wie die „reine energetische Sanierung“ im Zusammenhang mit ggf. weiteren Baumaßnahmen definiert bzw. gemessen wird und wie es sich mit der Beweislast verhält.
§ 11 Verhältnis zu denkmalschutzrechtlichen Belangen
Grundsätzlich ist die Kompatibilität mit den verschiedenen Satzungen und Verordnungen (u. a. Baumschutz, Brandschutz, Betriebskostenverordnung, Denkmalschutz) zu prüfen.