Kein Widerruf der Stimmabgabe bei Gesellschafterversammlung nach Zugang. (Oberlandesgericht München Urteil vom 5.4.2023, 7 U 6538/20)

Die Stimmabgabe im Rahmen einer Gesellschafterversammlung kann nach Zugang nicht frei widerrufen werden. Dies gilt auch dann, wenn ein wichtiger Grund für die Änderung des Abstimmungsverhaltens vorliegt.

Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Gesellschafterversammlung im schriftlichen Umlaufverfahren den Beschluss gefasst, ein Grundstück zu veräußern. Die Klägerin focht den Beschluss mit der Begründung an, mehrere Gesellschafter hätten während der Abstimmungsfrist ihr Abstimmungsverhalten geändert, so dass keine Mehrheit mehr zustande gekommen sei.
In dem Urteil vom 5.4.2023 (7 U 6538/20) wurde festgestellt, dass ein Widerruf der Stimmerklärung nur vor oder gleichzeitig mit dem Zugang der Stimme bei der Gesellschaft erklärt werden könne. Danach kann eine Stimmabgabe nur vor oder gleichzeitig mit dem Zugang der Stimmabgabe bei der Gesellschaft widerrufen werden.

Hinweis: Eine Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Bei einem Umlaufverfahren ist auch im schriftlichen Umlaufverfahren der Zugang bei dem Versammlungsleiter, der die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag vertritt, entscheidend. Auf den Zugang bei den übrigen Gesellschaftern komme es daher nicht an.

In der Praxis bedeutet dies Folgendes:
  • Bei Umlaufverfahren und Stimmabgabe per Post: Die Stimmabgabe per Post kann unter Umständen noch rechtzeitig per E-Mail oder Telefon widerrufen werden, bevor der Brief beim Vertreter der Gesellschaft eingeht.
  • Bei Umlaufverfahren und Verwendung elektronischer Fernkommunikationsmittel kann ein Widerruf nur durch unverzügliche Mitteilung zur gleichen Zeit erfolgen, was in der Praxis kaum durchführbar sein wird. 
  • Bei der Abstimmung durch Handzeichen oder Zuruf ist ein Widerruf nicht möglich, da die abgegebene Stimme sofort entgegengenommen und registriert wird und damit zugegangen ist. 
Ist die Stimme zugegangen, bleibt nur die Anfechtung der Erklärung oder die Möglichkeit, eine erneute Abstimmung zu beantragen.