BGH: Keine persönliche Haftung eines Gesellschafters bei Darlehensrückzahlung durch Schuldnerin an Drittkapitalgeber

In seinem Urteil vom 19. September 2024 (Az. IX ZR 173/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Rückzahlung eines Darlehens durch eine insolvente Gesellschaft nicht allein deshalb nach § 135 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) anfechtbar ist, weil ein Gesellschafter der Schuldnerin zugleich an der darlehensgebenden Gesellschaft beteiligt war. Entscheidend sei, ob der Gesellschafter durch die Rückzahlung tatsächlich von einer eigenen Haftung befreit wurde – eine bloße mittelbare Beteiligung an der Finanzierung genügt hierfür nicht.
Sachverhalt:
Die Schuldnerin, eine Gesellschaft, hatte von einer dritten Gesellschaft ein Darlehen erhalten. Die Beklagten waren Gesellschafter der Schuldnerin und gleichzeitig – mittelbar oder unmittelbar – an der darlehensgebenden Gesellschaft beteiligt. Der Insolvenzverwalter der Schuldnerin wollte die Rückzahlung des Darlehens in Höhe von ca. 57.000 Euro nach § 135 Abs. 2 InsO anfechten, weil sie seiner Auffassung nach wirtschaftlich den Gesellschaftern der Schuldnerin zugutekam. Der zentrale Vorwurf: Die Gesellschafter hätten durch ihre Beteiligung an der darlehensgebenden Gesellschaft das Darlehen selbst veranlasst und letztlich von der Rückzahlung profitiert.
Entscheidung:
Der BGH wies die Klage des Insolvenzverwalters ab. Er stellte klar, dass § 135 Abs. 2 InsO eine Zahlung nur dann anfechtbar macht, wenn ein Gesellschafter selbst eine Sicherheit für ein Darlehen zugunsten der Gesellschaft gestellt hatte und durch die Rückzahlung von dieser Haftung befreit wurde. Nur in diesem Fall liegt eine sogenannte „mittelbare Rückzahlung“ zugunsten des Gesellschafters vor, die den übrigen Gläubigern schadete.
Im vorliegenden Fall jedoch waren die Beklagten nicht persönlich verpflichtet oder durch eigene Sicherheiten gebunden. Sie hatten keine direkte oder mittelbare Befreiung von einer Haftung erlangt. Ihre Rolle beschränkte sich auf eine (mittelbare) Beteiligung an der darlehensgebenden Gesellschaft. Diese Beteiligung allein reicht nach Ansicht des BGH nicht aus, um eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 135 Abs. 2 InsO zu begründen.
Bedeutung der Entscheidung:
Das Urteil konkretisiert die Anforderungen an die Anfechtung von Rückzahlungen im Insolvenzverfahren bei komplexen gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen. Es schützt Gesellschafter davor, allein wegen einer mittelbaren Einflussnahme auf die Finanzierung der Gesellschaft zur Rückzahlung verpflichtet zu werden. Für Insolvenzverwalter bedeutet dies zugleich, dass sie detailliert darlegen müssen, ob und wie ein Gesellschafter durch eine Rückzahlung tatsächlich wirtschaftlich entlastet wurde.